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Chittagong. Eindrücke & Gedanken

<Das war der Mittwoch

Donnerstag, 20. April (Tag 36 in Bangladesch)

Genau um Mitternacht fährt der Bus los. Er ist voll besetzt. Anfangs stehen einige Fahrgäste. Später steigen aber andere aus.

Zunächst ist die Fahrt auf den schlechten Straßen sehr holprig. Später auf dem Highway wird es ruhiger. Ich döse. Kann aber in der unbequemen Sitzposition nicht schlafen. Mein Sitz lässt sich nicht (mehr) zurück stellen. Spontan schreibe ich mit dem Handy einen Facebook Post über die Unterschiede zwischen Deutschland und Bangladesch.

Dann döse ich weiter. Irgendwann hält der Bus auf halber Strecke an einer Raststätte an. Ich will etwas essen. Reyon gibt mir Burger aus. Der besteht aber nur aus dem Brötchen und einem Stück Fleisch mit Knochen.

Nach 30 Minuten fährt der Bus weiter. Ich döse eine Weile.

Etwa um 6 erreichen wir Chittagong. Diese Hafenstadt hat etwa 4 Millionen Einwohner. Und ist die zweitgrößte Stadt von Bangladesch.

Wir fahren mit Mopedritschka zu einem Hindu Tempel.

Der Tempel liegt höher als die Stadt. Das letzte Stück gehen wir zu Fuß bergauf.

Gegen 7 erreichen wir den Iskcon Prabartak Sri Krishna Tempel.

Es ist der älteste und größte traditionelle Krishna-Tempel in Bangladesch. Ich bin beeindruckt!

Es ist eine wunderschöne Tempelanlage mit prachtvoll gestalteten Altären und Götterfiguren.

Hier verbringen wir die nächsten Stunden.

Im Sanitärbereich duschen wir erstmal. Dann ruhen wir uns in einem Büro eine Weile aus. Um 9 gibt es Frühstück im großen Saal. Traditionell Reis mit viel Gemüse. Es ist sehr reichhaltig und lecker.

Anschließend besichtigen wir den Tempel. Im Laufe des Tages kommen sehr viele Menschen in den Tempel. Heute fällt es mir besonders auf. In Bangladesch sind die jungen Frauen und Mädchen außerordentlich hübsch. Natürliche Schönheiten. Unverdorben und oft ungeschminkt. Älteren Menschen sieht man aber deutlich die Spuren von ihrem harten Leben an.

Um 13:30 Uhr gibt es Mittagessen. Wieder Reis mit sehr viel Gemüse.

Später findet eine Zeromonie im großen Saal statt. Es ist ein beeindruckendes Schauspiel.

Gegen Abend verlassen wir den Tempel. Und gehen zurück zur Straße.

Mit Mopedritschka fahren wir zur Wohnung von den Eltern von Reyon. Sie leben im 6. Stockwerk von einem Mehrfamilienhaus im District East Sholashahar.

Ich bin herzlich eingeladen. Bekomme Essen und sogar frisch gepressten Zitronensaft. Ich lerne Aashiq, den Bruder von Reyon und weitere Freunde und Familienmitglieder von ihm kennen. Es ist ein toller Abend!

Reyon und ich werden in einem Zimmer einquartiert. Wir teilen uns ein großes Bett unter dem Moskitonetz.

Bis ich dann schlafe ist es etwa 1:40 Uhr.

 

Das ist mein Facebook Post von heute:

Ich werde immer wieder gefragt, was die Unterschiede zwischen Deutschland und Bangladesch oder auch Indien sind.

Viele meiner Freunde im fernen Europa können sich ein Leben in einem 3. Welt Land nicht vorstellen.

Ja... das Leben hier ist härter. Anstrengender. Gefährlicher. Und wohl auch kürzer.

In Deutschland ist alles sauber, komfortabel, neu und modern.

Jeder Empfänger von Sozialleistungen (die es hier gar nicht gibt) hat (theoretisch) Anspruch auf eine saubere und warme Wohnung.

Jeder Haushalt in Deutschland hat warmes Wasser. Das trinkbar aus der Leitung kommt. Internet, mindestens einen Fernseher, Waschmaschine, komfortable Toilette & Dusche usw.

 Die meisten Haushalte haben eine Geschirrspülmaschine und eine Einbauküche.

In Bangladesch ist all das Luxus oder gar nicht denkbar.

Mit Ausnahme vom Internet.

Auch hier ist nahezu jeder online.

Allerdings hat nicht jeder ein Smartphone,

Warmes Wasser gibt es (wenn überhaupt) nur in Luxushotels. Ich habe noch keinen Haushalt gesehen, wo es warmes Wasser gibt.

Es ist aber auch nicht erforderlich.

Hier ist es auch im Winter normal nicht kälter als 10 Grad. Und bei 40 Grad oder mehr braucht man keine heiße Dusche.

Das Leitungswasser ist definitiv nicht trinkbar.

Einen Fernseher hat fast niemand.

Ich hatte ja an anderer Stelle schon geschrieben, dass es aus meiner Sicht eher positiv ist. Es bewahrt die Menschen vor den Verlockungen der modernen westlichen Konsumwelt.

Eine Waschmaschine hat auch fast kein Haushalt. Es ist völlig normal, dass täglich mit der Hand und kaltem Wasser gewaschen wird.

Ein Trockner ist hier Utopie. Und bei den Temperaturen mehr als überflüssig.

Auch eine Geschirrspülmaschine ist hier Utopie. Gibt es einfach nicht.

Es ist völlig normal, dass der Teller direkt nach dem Essen mit kaltem Wasser abgespült wird.

Da die meisten Menschen hier mit den Händen essen, entfällt das Besteck.

Allgemein gibt es in Privathaushalten kaum Geschirr. Es gibt ja zum Beispiel kaum Softdrinks für die man ein Glas bräuchte. Und keinen Alkohol!

Eigentlich wird Zuhause nur Wasser getrunken.

Zum Tee trinken gehen die Männer zu einem der vielen Teestande.

Kein Haushalt hat eine Einbauküche. Ich hab hier noch keine gesehen.

Ein Ceranfeld ist hier Utopie.

Gekocht wird mit Gas.

Allgemein gibt es hier kaum moderne elektrische Geräte. So etwas wie Alexa ist hier Utopie.

Ein Problem, dass gerade in den Wintermonaten für viele Menschen in Deutschland Existenzbedrohend ist, gibt es hier überhaupt nicht. Die enorm hohen Heizkosten.

Hier hat kein Gebäude eine Heizung.

Das ist schlicht nicht nötig.

Es gibt in normalem Mehrfamilienhäusern nur selten einen Fahrstuhl.

In besseren Hotels und Bürogebäuden schon.

Der normale Alltag ist in allem hart. Unbequem.

Die klapprigen Fahrradritschkas und alten, abgenutzten Busse holpern über schlechte Straßen. Die im Dunkeln nur sehr schlecht (oder gar nicht) beleuchtet sind. Überall sind offene Schächte oder Löcher.

Die Armut ist offensichtlich.

Aber...

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Menschen hier unglücklich sind.

Wo staatliche Hilfe fehlt, hilft man sich eben selbst. Oder Untereinander.

Wenn man weiß, dass die Straßen schlecht sind, fährt man halt vorsichtiger. Und vor allem langsamer.

Wenn man als Fußgänger weiß, dass die Gullischächte offen sind und der Verkehr chaotisch ist, ist man halt achtsamer.

Aus meiner Sicht ist das nicht unbedingt negativ.

Auch wenn die meisten Menschen hier vom Leben in Deutschland träumen... Sie wissen nicht, dass Deutschland nicht das Paradies ist.

Diesem schweren Leben in Armut haben sie es zu verdanken, dass sie sich ihre Menschlichkeit bewahren.

Je ärmer die Menschen materiell und finanziell sind, desto reicher sind sie im Herzen.

Je reicher ein Mensch finanziell ist, desto ärmer (kälter) ist er im Herzen.

Das gilt nicht nur für einzelne Menschen. Sondern auch für ganze Bevölkerungsgruppen oder Länder.

Aber natürlich gibt es Ausnahmen!

Ausnahmen gibt es auch bei der Verfügbarkeit von modernen westlichen Konsumgütern.

In schicken, modernen Geschäften gibt es fast alles was es auch in Europa gibt. Moderne Bekleidung (die ja hier in Bangladesch hergestellt wird!)

Aber auch große Flachbildfernseher, Waschmaschinen, moderne Möbel usw.

Nur sind all diese tollen Dinge für die normalen Menschen nicht bezahlbar. Eine Utopie...

Dem entsprechend sind die schicken Geschäfte menschenleer.

Mit Ausnahme der Bekleidungsläden. Textilien Made in Bangladesh werden hier super

günstig verkauft!

Alles in allem ist Bangladesch ein tolles Land.

Mit super lieben und sehr gastfreundlichen Menschen.

Da Bangladesch definitiv kein Touristenland ist, hat es sich seine Ursprünglichkeit bis heute weitestgehend bewahrt.

Ich wünsche mir, dass das noch möglichst lange so bleibt.

So geht es morgen weiter>

Chittagong. Impressions & Thoughts

<This was Wednesday

Thursday, 20 April (Day 36 in Bangladesh)

The bus leaves exactly at midnight. It is full. At first, some passengers stand. Later, however, others get off.

At first the ride is very bumpy on the bad roads. Later, on the highway, it becomes quieter. I doze. But I can't sleep in the uncomfortable seating position. My seat cannot be put back (any more). I spontaneously write a Facebook post on my mobile about the differences between Germany and Bangladesh.

Then I doze on. At some point, the bus stops halfway at a rest area. I want to eat something. Reyon buys me a burger. But it only consists of a bun and a piece of meat with a bone.

After 30 minutes the bus moves on. I doze for a while.

At about 6 we reach Chittagong. This port city has about 4 million inhabitants. And it is the second largest city in Bangladesh.

We take a moped to a Hindu temple.

The temple is higher than the city. The last part we walk uphill.

Around 7 we reach the Iskcon Prabartak Sri Krishna Temple.

It is the oldest and largest traditional Krishna temple in Bangladesh. I am impressed!

It is a beautiful temple complex with magnificently designed altars and deity figures.

We spend the next few hours here.

We take a shower in the sanitary block. Then we rest for a while in an office. At 9 we have breakfast in the large hall. Traditionally rice with lots of vegetables. It is very rich and tasty.

Afterwards we visit the temple. During the day, many people come to the temple. Today I notice it particularly. In Bangladesh, the young women and girls are extraordinarily beautiful. Natural beauties. Unspoilt and often without make-up. Older people, however, clearly show the traces of their hard life.

At 13:30 we have lunch. Again rice with lots of vegetables.

Later, a ceremony takes place in the large hall. It is an impressive spectacle.

Towards evening we leave the temple. And go back to the road.

We take a moped to the flat of Reyon's parents. They live on the 6th floor of an apartment building in the East Sholashahar district.

I am cordially invited. I get food and even freshly squeezed lemon juice. I meet Aashiq, Reyon's brother, and other friends and family members of his. It is a great evening!

Reyon and I are put in one room. We share a big bed under the mosquito net.

By the time I am asleep it is about 1:40am.


This is my Facebook post from today:

I am always asked what the differences are between Germany and Bangladesh or even India.

Many of my friends in far away Europe cannot imagine a life in a 3rd world country.

Yes... life here is harder. More strenuous. More dangerous. And probably shorter too.

In Germany, everything is clean, comfortable, new and modern.

Every recipient of social benefits (which don't even exist here) is (theoretically) entitled to a clean and warm flat.

Every household in Germany has hot water. Which comes drinkable from the tap. Internet, at least one TV, washing machine, comfortable toilet & shower, etc.

Most households have a dishwasher and a fitted kitchen.

In Bangladesh, all this is luxury or even unthinkable.

With the exception of the internet.

Here too, almost everyone is online.

However, not everyone has a smartphone,

Hot water is only available (if at all) in luxury hotels. I have yet to see a household where there is hot water.

But it is not necessary either.

Here it is normally not colder than 10 degrees, even in winter. And at 40 degrees or more, you don't need a hot shower.

The tap water is definitely not drinkable.

Almost nobody has a television.

I had already written elsewhere that from my point of view it is rather positive. It saves people from the temptations of the modern western consumer world.

Almost no household has a washing machine either. It is completely normal to wash by hand and with cold water every day.

A dryer is utopia here. And more than superfluous at these temperatures.

A dishwasher is also utopia here. It simply doesn't exist.

It is completely normal to rinse the plate with cold water immediately after eating.

Since most people here eat with their hands, there is no need for cutlery.

In general, there are hardly any dishes in private households. For example, there are hardly any soft drinks for which you would need a glass. And no alcohol!

Actually, only water is drunk at home.

To drink tea, the men go to one of the many tea stalls.

No household has a fitted kitchen. I haven't seen one here yet.

A ceramic hob is utopia here.

Cooking is done with gas.In general, there are hardly any modern electrical devices here. Something like Alexa is utopia here.

One problem that threatens the existence of many people in Germany, especially in the winter months, does not exist here at all. The enormously high heating costs.

No building here has heating.

It is simply not necessary.

There are rarely lifts in normal apartment buildings.

In better hotels and office buildings there is.

Normal everyday life is hard in everything. Uncomfortable.

Rickety bicycle rickshaws and old, worn-out buses bump along bad roads. Which are very poorly lit (or not lit at all) in the dark. There are open manholes or holes everywhere.

The poverty is obvious.

But...

I don't have the impression that the people here are unhappy.

Where state help is lacking, people help themselves. Or each other.

If you know that the roads are bad, you drive more carefully. And especially more slowly.

If you know as a pedestrian that the manholes are open and the traffic is chaotic, you are more careful.

From my point of view, this is not necessarily negative.

Even if most people here dream of living in Germany... They don't know that Germany is not paradise.

It is thanks to this difficult life in poverty that they retain their humanity.

The poorer people are materially and financially, the richer they are in their hearts.

The richer a person is financially, the poorer (colder) he is in heart.

This is not only true for individuals. But also for entire population groups or countries.

But of course there are exceptions!

There are also exceptions in the availability of modern Western consumer goods.

In fancy, modern shops you can find almost everything that is also available in Europe. Modern clothes (which are made here in Bangladesh!).

But also big flat-screen TVs, washing machines, modern furniture, etc.

But all these great things are not affordable for normal people. A utopia...

Accordingly, the fancy shops are deserted.

With the exception of the clothing shops. Textiles made in Bangladesh are sold

sold very cheaply!

All in all, Bangladesh is a great country.

With super dear and very hospitable people.

Since Bangladesh is definitely not a tourist country, it has preserved its originality to the greatest possible extent.

I hope it stays that way for as long as possible.

So it will continue tomorrow>

Iskcon Prabartak Sri Krishna Temple.

Ein guter Abend