Dienstag, 26. April
Der Wecker klingelt heute schon um 5:30 Uhr. Ich aktualisiere mein Tagebuch. Und lade den Bericht hoch. Um 6 ist alles wieder aktuell. Ich gehe mich waschen und koche Kaffee. Ab 7 arbeite ich. Heute fange ich an, den Platz bei meinem Zelt zu säubern. Ich arbeite erstmals mit einer Handsichel. Und lerne dabei den Umgang damit. (Ich bringe es mir selbst bei. Und bekomme nach und nach Gefühl für die Handhabung von diesem für mich bisher ungewohnten Werkzeug)
Ich säubere die Fläche um mein Zelt. Um 11:15 Uhr mache ich Feierabend.
Dann dusche ich kalt. Um 12 bin ich startklar. Will nur noch eben schnell die Route zur Universität in Komoot speichern. Aber das WLAN funktioniert nicht! Ich hab kein Internet. Yiğit ist nicht da. Es wird immer später…Mir bleibt nichts anderes übrig, als so los zu fahren. Ich hatte gestern kurz in die Karte geguckt, wo die Universität ist. Es sind nur etwa 7 km. Um 12:30 Uhr fahr Ich los. Erstmal in Richtung Antalya. Dann frage ich mich durch. Das ist ohne Türkischkenntnisse gar nicht so einfach. Aber irgendwie schaffe ich es in die richtige Richtung zu fahren. Spontan halte ich an einem Taxistand. Einer der Taxifahrer kann sehr gut englisch. Er erklärt mir ganz genau den Weg. Es ist recht weit. Und ich komme an die Grenze meiner Aufnahmefähigkeit. Mein Kurzeitgedächtnis ist das Problem. Durch die Kopfverletzungen bei dem 2. Unfall vergesse ich Dinge sehr schnell. Aber ich reiße mich zusammen. Und fahr genau so wie es mir beschrieben wurde….bei der 4. Ampel ist tatsächlich ein Migros Supermarkt. Da biege ich links ab. Und komme direkt zu meinem Ziel. Um genau 13:05 Uhr erreiche ich die Antalya Akdeniz Üniversitesi. Um 13:30 Uhr beginnt der Workshop von Iris und Jan.
Am Tor kommen neue Probleme auf mich zu. Der Pförtner verweigert mir zunächst den Zutritt zum Campus Gelände. Es ist schwierig, ihn davon zu überzeugen, dass ich zu einem Workshop eingeladen bin. Eigentlich ist das Betreten nur für Studenten und Mitarbeiter gestattet. Und ich kann ja nicht mal erklären wo ich genau hin will. Und auf wessen Einladung. Die Verständigung ist aufgrund der Sprachbarriere sehr schwierig. Dazu kommt, dass ich ja kein Internet habe. Und weder Wörter übersetzen kann, noch Infos über den Workshop habe. Nach einer Weile gibt er es auf, und lässt mich auf das Gelände. Hier stehe ich vor der nächsten Schwierigkeit. Der Campus ist riesig! Wie ich später recherchiere, studieren hier 17.000 Menschen. Es gibt 12 Fakultäten und 4 Berufsbildende Schulen. Ich hab nicht die geringste Ahnung wo der Workshop ist. Iris hatte nur geschrieben, dass es in der fakulty of Nursing (Fakultät für Krankenpflege) ist. Sie wollte mir den genauen Standort schicken. (Hat sie auch, aber es kam erst viel später an, da ich ja offline war) Es wird immer später…Ich frage mich durch…. Wieder ist es durch die Sprachbarriere schwierig. Aber auch das schaffe ich. Irgendwie komme ich zum richtigen Gebäude. Drinnen ist es leicht. Der Vortrag ist im großen Saal im Erdgeschoss. Auf die Minute pünktlich komme ich dort an. Für eine persönliche Begrüßung ist keine Zeit mehr. Der Workshop Stigmatisierung und psychische Erkrankungen" beginnt.
Ich befasse mich zum ersten Mal mit diesem Thema. Und merke schnell, dass es viele parallelen zu meinem Leben gibt. Als Kind war ich der Außenseiter. Weil ich schon immer „anders“ war. Nicht normal. Ich hatte das Stigma, der „Heino“ zu sein. Auch heute noch bin ich „anders“ als die meisten Menschen.
Als Iris dann den Begriff Stigmatisierung erklärt, wird mir der Zusammenhang zu meinem Leben, aber auch meiner Reise für Frieden klar.
Der Begriff „Stigma“ stammt aus der altgriechischen Sprache und hat die Bedeutung eines Brandmals bzw. Zeichen. Ziel dieser Kennzeichnung bei verschiedenen Personen (z.B. Brandmal für Sklaven, Kranke, Verbrecher etc.) war es, eine klare Abgrenzung zu anderen Gruppen und Individuen innerhalb einer Gesellschaft zu ermöglichen. Auch heute wird die Bezeichnung „Stigma“ meist als negatives Merkmal dargestellt. So ist die soziologische Bedeutung beispielsweise das Vorenthalten der vollständigen sozialen Akzeptanz.
Stigmatisierung bezeichnet die Zuschreibung eines Merkmals auf eine Person, das von der Gesellschaft negativ bewertet wird und sich für den einzelnen Menschen negativ auswirkt. Beispiele: Behinderungen, psychische Erkrankungen, Arbeitslosigkeit, abweichendes sexuelles Verhalten.
Stigmatisierungen knüpfen bei sichtbaren oder unsichtbaren Merkmalen von Personen oder Gruppen an. Dabei handelt es sich um Merkmale, die in irgendeiner Weise von der Mehrheit abweichen, wie etwa körperliche Besonderheiten (z.B. Behinderungen), wie eine Gruppenzugehörigkeit (z.B. die Mitgliedschaft in einer Sekte) oder ein Verhalten (z.B. der Verstoß gegen eine geltende Norm). Das wird durch die Medien oftmals durch eine falsche, übertriebene und diskriminierende Darstellung gefördert. Die Stigmatisierung von Gruppen erzeugt eine kollektive Ablehnung oder sogar Hass auf die betroffenen Menschen.
Stigmatisierung ist eine Gefahr für den Frieden. Oder kann sogar eine Ursache für Kriege sein.
Auch aufgrund meiner eigenen Erfahrungen möchte ich heute ein positives Vorbild sein. Für mich sind alle Menschen gleich. Ich respektiere jeden Menschen so wie er ist. Unabhängig von seiner Herkunft, Religion, Sprache, Hautfarbe, Lebenseinstellung oder sonstigen Eigenschaften.
Respekt ist die Grundvoraussetzung für weltweiten Frieden.
Iris und Jan gestalten diese Informationsveranstaltung für die Studenten aus dem Gesundheitsbereich als Workshop. Unter Einbeziehung der Teilnehmer.
Gegen 16 Uhr ist die Veranstaltung beendet. Jetzt ist Zeit für ein persönliches Kennenlernen meiner Facebook Freunde.
Wir verlassen das Universitätsgelände. Und gehen zu Fuß zu einem Simit Café in der Nähe. Dort essen wir etwas. Ich hab Hunger und bestelle mir sehr viel. Danach bin ich pappsatt.
Abends wollen wir zusammen zu Freunden von Iris und Jan.
„Utopia“ ist eine nicht-formale Bildungsorganisation für die Bereiche Kunst, Bildung, Jugendarbeit, und Kultur in Konyaalti-Bahtili (das Dorf gehört zu Konyaalti und ist in der Nähe von meinem Campingplatz). Iris und Jan waren dort im Winter für 2 Monate Volunteer. Heute wollen sie sich nochmal verabschieden. Da sie ja bald ihre Reise fortsetzen. Wir legen Geld zusammen. Und kaufen Baklava fürs Essen heute Abend.
Sie fahren mit Bus dorthin. Ich fahre mit Fahrrad. Wir treffen uns kurz vor dem Ziel . Und gehen zusammen dorthin. „Utopia“ ist ein wunderbarer Ort! Und es wird ein toller Abend. Mit vielen lieben Menschen, guten Gesprächen und Bestem Essen.
Um 21:40 Uhr verabschiede ich mich. Auch von Iris und Jan. Aber sie fahren ja auch in den Iran und weiter nach Indien. Vielleicht treffen wir uns irgendwo.
Und fahre wieder zum Campingplatz. Es sind nur etwa 5 km . Um 22:10 Uhr bin ich zurück. Ich bin dann noch bei Facebook und trinke meine Zitrone.
Ab 23:40 Uhr schlafe ich.
Ich bin heute insgesamt etwa 20 km gefahren.
Ich hatte heute folgende Ausgaben:
Milchkaffee beim Vortrag: 4 Lira
Essen im Café: etwa 30 Lira
Essenbeteiligung für abends: 40 Lira
Insgesamt etwa 4,75€ (1 Lira entspricht heute 0,064 Euro)
Workshop: Stigma and mental illness
Tuesday, 26 April
The alarm clock rings at 5:30 am today. I update my diary. And upload the report. At 6 everything is up to date again. I go to wash up and make coffee. From 7 I work. Today I start to clean the place near my tent. I work with a hand sickle for the first time. And learn how to use it. (I am teaching myself. And gradually I get a feeling for the handling of this tool, which I was not used to before.)
I clean the area around my tent. At 11:15 I call it a day.
Then I take a cold shower. At 12 I am ready to go. I just want to quickly save the route to the university in Komoot. But the WLAN doesn't work! I don't have internet. Yiğit's not there. It's getting later and later... I have no choice but to leave like this. Yesterday I had a quick look at the map to see where the university was. It's only about 7 km. I leave at 12:30. First in the direction of Antalya. Then I ask my way through. Without any knowledge of Turkish, it's not that easy. But somehow I manage to drive in the right direction. Spontaneously, I stop at a taxi rank. One of the taxi drivers speaks very good English. He explains the way to me in detail. It is quite far. And I reach the limit of my receptivity. My short-term memory is the problem. Due to the head injuries in the second accident, I forget things very quickly. But I pull myself together. And drive exactly as it was described to me....at the 4th traffic light there is indeed a Migros supermarket. I turn left there. And I get straight to my destination. At exactly 13:05 I arrive at the Antalya Akdeniz Üniversitesi. At 13:30 the workshop of Iris and Jan starts.
At the gate I encounter new problems. At first, the gatekeeper refuses me entry to the campus grounds. It is difficult to convince him that I am invited to a workshop. Actually, only students and staff are allowed to enter. And I can't even explain where exactly I want to go. And at whose invitation. Communication is very difficult because of the language barrier. On top of that, I don't have the internet. And I can neither translate words nor have any information about the workshop. After a while, he gives up and lets me into the compound. Here I face the next difficulty. The campus is huge! I later find out that 17,000 people study here. There are 12 faculties and 4 vocational schools. I haven't the faintest idea where the workshop is. Iris had only written that it was in the Faculty of Nursing. She wanted to send me the exact location. (She did, but it arrived much later as I was offline) It's getting later and later...I wonder through.... Again it is difficult due to the language barrier. But I manage that too. Somehow I get to the right building. Inside it is easy. The lecture is in the large hall on the ground floor. I arrive there right on time. There is no time for a personal greeting. The workshop "Stigma and mental Illness" begins.
This is the first time I have dealt with this topic. And I quickly realise that there are many parallels to my life. As a child, I was the outsider. Because I was always "different". Not normal. I had the stigma of being "Heino". Even today I am "different" from most people.
When Iris then explains the term stigma, I realise the connection to my life, but also to my journey for peace.
The term "stigma" comes from the ancient Greek language and has the meaning of a brand or mark. The aim of this marking on various people (e.g. brand for slaves, sick people, criminals etc.) was to enable a clear demarcation from other groups and individuals within a society. Even today, the term "stigma" is usually presented as a negative feature. For example, the sociological meaning is the withholding of full social acceptance.
Stigmatisation refers to the attribution of a characteristic to a person that is negatively evaluated by society and has a negative impact on the individual. Examples: Disabilities, mental illness, unemployment, deviant sexual behaviour.
Stigmatisation is linked to visible or invisible characteristics of persons or groups. These are characteristics that deviate in some way from the majority, such as physical characteristics (e.g. disabilities), such as a group affiliation (e.g. membership in a sect) or behaviour (e.g. violation of a prevailing norm). This is often promoted by the media through false, exaggerated and discriminatory portrayal. Stigmatisation of groups creates a collective rejection or even hatred of the people concerned.
Stigmatisation is a danger to peace. Or can even be a cause of wars.
Also because of my own experiences, I would like to be a positive role model today. For me, all people are equal. I respect every person as they are. Regardless of their origin, religion, language, skin colour, attitude to life or other characteristics.
Respect is the basic prerequisite for worldwide peace.
Iris and Jan design this information session for the students from the health sector as a workshop. With the involvement of the participants.
The event ends at around 4 pm. Now it's time to get to know my Facebook friends personally.
We leave the university campus. And walk to a Simit Café nearby. There we eat something. I am hungry and order a lot. Afterwards I am stuffed.
In the evening we want to go to friends of Iris and Jan.
"Utopia" is a non-formal education organisation for art, education, youth work and culture in Konyaalti-Bahtili (the village belongs to Konyaalti and is close to my campsite). Iris and Jan were volunteers there for 2 months in winter. Today they want to say goodbye again. As they will soon continue their journey. We put money together. And buy baklava for dinner tonight.
They go there by bus. I go by bike. We meet just before we reach our destination. And go there together. "Utopia is a wonderful place! And it will be a great evening. With many lovely people, good conversations and the best food.
At 9.40 pm I say goodbye. Also to Iris and Jan. But they are also going to Iran and on to India. Maybe we will meet somewhere.
And I drive back to the campsite. It is only about 5 km. At 10:10 pm I am back. I am still on Facebook and drink my lemon.
From 23:40 I sleep.
I rode a total of about 20 km today.
I had the following expenses today:
Latte at the lecture: 4 Lira
Meal at the café: about 30 Lira
Meal share for the evening: 40 Lira
In total about 4,75€ (1 Lira is equal to 0,064 Euro today)