Mittwoch, 26. Juli
Der Wecker klingelt um 6. Ich stehe aber erst etwa um 6:30 Uhr auf. Ich wasche mich kurz unter dem Regenwasserrohr. Ab 7 arbeite ich.
Es sind erstmal genug Steine bei der Baustelle. Ich bekomme andere Arbeit.
Im Soja Feld soll ich Unkraut jäten.
Diese Farm ist die einzige im Umkreis, die noch keine Pestizide verwendet. Hier wird das Unkraut noch per Hand gejätet.
Ich merke aber bald, dass diese Arbeit nicht das richtige für mich ist. Ich kann ja aufgrund meiner bei dem Unfall zertrümmerten Hüfte nicht lange in der Hocke sein. Normalerweise knie ich mich beim Unkraut jäten immer hin. In kleinen Beeten ist das möglich. Aber auf diesem Feld nicht. Hier würde ich die Pflanzen hinter mir zerstören. In der Hocke bekomme ich bald Schmerzen in der Hüfte. Und bin noch langsamer als sonst.
Ishwar ist zum Wohnhaus gefahren. Als er mit Frühstück für mich zurückkommt, sieht er gleich was los ist. Er sagt „ maybe this is not the right job for you“
Nach dem Frühstück bekomme ich andere Arbeit.
Ich soll einen Sandhaufen auf dem Feld abtragen. Und den Sand nach vorne zur Baustelle bringen.
Ab 9 arbeiten die Freunde von Ishwar auf der Baustelle. Diese ist ganz anders, als ich es kenne. Es gibt keinen Betonmischer, keine Schubkarre, keinerlei Handwerkzeuge, oder gar Elektrowerkzeuge. Keine Messwerkzeuge wie Zollstock oder Wasserwage. Das einzige Werkzeug sind die typischen indischen Schaufeln. Und kleine Blechwannen, mit denen Sand oder Zement transportiert wird. Ansonsten die Hände der Arbeiter. Das hier ist im wahrsten Sinne des Wortes Handarbeit. Der Zement wird mit der Hand angemischt. In der bereits ausgehobenen Baugrube errichten sie aus Natursteinen einen Abwassertank.
Ich unterhalte mich mit Ishwar. Frage ihn, ob er eine Baugenehmigung braucht.
Nein! Er sagt, dass er die ganzen Gebäude hier ohne Genehmigung und ohne „Bleistift“ gebaut hat.
Das interessiert hier auf dem Dorf (noch) keinen.
In Städten ist es natürlich anders.
Allerdings wird es hier auch bald kommen, dass man eine Baugenehmigung braucht.
Mich macht das traurig. So verschwindet so nach und die Ursprünglichkeit. Sogar hier im Dorf.
Aber so ist es überall auf der Welt. In absehbarer Zeit wird es nirgendwo mehr Orte geben, wo man ohne Genehmigung etwas bauen darf. Alles muss irgendeiner offiziellen Norm entsprechen.
Jede Hütte und jedes Toilettenhäuschen wird vermessen und registriert sein.
Ich bringe jetzt also den Sand nach vorne. Da es ja keine Schubkarre gibt, fülle ich ihn zuerst in eine der kleinen Wannen. Und dann in einen Zementsack. Damit trage ich ihn zur Baustelle. Das ist schwere körperliche Arbeit. Aber genau das richtige für mich!
Ich arbeite bis Mittag. Dann bringt Ishwar mich zum Farmhaus.
Er schlägt mir vor, dass ich mich jetzt nachmittags wieder in dem oberen Raum ausruhen kann.
Aber erstmal gibt es Mittagessen.
Nach dem Essen will ich duschen. Ich sehe, dass die Tür vom Waschraum kaputt ist. Ein Scharnier ist rausgerissen. Ich will es mal „eben schnell“ reparieren. Allerdings wird diese einfache Reparatur doch sehr zeitintensiv. Ich hatte nicht bedacht, dass es hier weder vernünftiges Werkzeug noch Schrauben gibt. Etwa 2 Stunden bin ich in der Mittagshitze damit beschäftigt, das Scharnier umzusetzen und neu festzuschrauben. Der Schweiß läuft in Strömen an mir herunter.
Die letzten beiden Schrauben bekomme ich nicht angesetzt.
Dann hilft Ishwar mir. Er nimmt kurzerhand den Schraubenzieher. Mit der Zange als Hammer schlägt er ein Loch ins Plastik. Und schlägt dann eine größere Schraube rein. Das ganze dauert keine 2 Minuten. Dann sagt er „done“ Damit ist die Tür repariert. Das war eine Reparatur auf indische Art.
Es ist nicht vergleichbar mit der Art, wie ich an diese Arbeit gegangen bin. Halt mit deutscher Gründlichkeit.
Für mich war es ein Schlüsselerlebnis. Ich bin sehr dankbar dafür.
Ishwar und seine Frau können nicht glauben, dass ich 2 Stunden damit zugebracht habe.
In Deutschland hätte ein Arbeiter mit Akkuschrauber das Scharnier in 5 Minuten fachgerecht umgesetzt. Ich hätte selbst mit entsprechenden Werkzeug eine Stunde gebraucht.
Genau das ist der Grund für meine Rente. Ich mache mir zu viele Gedanken. Und mache alles zu genau. Super akkurat. Und brauche deshalb viel länger als andere. In Deutschland ist das auf dem Arbeitsmarkt nicht möglich. Überall wird schnelle Leistung erwartet.
Meine Langsamkeit in allen Bereichen ist die einzige „Einschränkung“ die nach dem 2. Unfall verblieben ist. Aber letztendlich bekomme ich deswegen meine Rente. Etwas besseres konnte mir nicht passieren. In anderen Ländern (wo die Stundenlöhne viel niedriger sind) wird meine gründliche und akkurate Arbeit sehr geschätzt. Dadurch bin ich zum Beispiel im Gipsy Village in Georgien vom Volunteer zum bezahlten Arbeiter aufgestiegen. Und beim streichen im Restaurant habe ich wirklich hervorragende Arbeit geleistet.
Jetzt, mit der reparieren Tür kann ich endlich „duschen“ Ich übergieße mich mit einem ganzen Eimer kaltem Wasser. Anschließend weiche ich meine verschwitzte Wäsche ein.
Dann trinke ich meine Zitrone. Und gehe hoch in den Raum. Ruhe mich kurz aus.
Später telefoniere ich mit Freunden im Deutschland.
Ab etwa 18 Uhr bin ich am Tablet und schreibe Tagebuch. Um 18:50 Uhr steht der Eintrag von Samstag. Ich erstelle schnell noch den Blogeintrag von Samstag. Zunächst ohne Fotos.
Gegen 20 Uhr gibt es Dinner. Dann wasche ich meine Wäsche und die Sandalen.
Etwa um 20:30 fahren Ishwar und ich zur Farm.
Eigentlich will ich dort noch weiter Tagebuch schreiben. Aber ich bin doch müde und kaputt.
Ishwar und ich unterhalten uns noch kurz. Unter anderen frage ich ihn, warum er im Lagerraum nachts immer das Licht an lässt. Und auch die Laterne auf dem Hof ist die ganze Nacht an.
Er sagt, dass damit verhindert werden soll, dass nachts Panther und andere wilde Tiere auf die Farm kommen. Ja…. Es gibt hier Panther. Er vor kurzem hat ein Panther seinen letzten Hund gefressen.
Ab etwa 22 Uhr schlafe ich.
Der Tag war geldfrei.
Working on the farm. My limitations - Slowness
Wednesday, 26 July
The alarm clock rings at 6. But I don't get up until about 6:30. I wash briefly under the rainwater pipe. From 7 I work.
There are enough stones at the construction site for now. I get other work.
In the soy field I am supposed to weed.
This farm is the only one in the area that does not use pesticides. Here the weeds are still weeded by hand.
But I soon realise that this work is not right for me. I can't squat for long because of my hip, which was shattered in the accident. Normally I always kneel down when weeding. In small beds that is possible. But not in this field. Here I would destroy the plants behind me. Squatting soon makes my hips ache. And am even slower than usual.
Ishwar has gone to the residence. When he returns with breakfast for me, he immediately sees what is going on. He says "maybe this is not the right job for you".
After breakfast I get another job.
I have to remove a pile of sand from the field. And take the sand to the front of the construction site.
From 9 on, Ishwar's friends are working on the construction site. This is very different from what I know. There is no concrete mixer, no wheelbarrow, no hand tools of any kind, or even power tools. No measuring tools like folding rule or spirit level. The only tools are the typical Indian shovels. And small tin tubs with which sand or cement is transported. Otherwise the hands of the workers. This is manual labour in the truest sense of the word. The cement is mixed by hand. In the already excavated pit, they are building a sewage tank out of natural stones.
I talk to Ishwar. I ask him if he needs a building permit.
No! He says that he built all the buildings here without a permit and without a "pencil".
Nobody is interested in that here in the village (yet).
In cities, of course, it's different.
However, it will also soon come here that you need a building permit.
That makes me sad. Little by little, the originality is disappearing. Even here in the village.
But that's how it is all over the world. In the foreseeable future, there won't be any places left where you can build anything without a permit. Everything has to conform to some official standard.
Every hut and every toilet will be measured and registered.
So now I bring the sand to the front. Since there is no wheelbarrow, I first fill it into one of the small tubs. And then into a cement bag. With that I carry it to the construction site. That's hard physical work. But it's just what I need!
I work until noon. Then Ishwar takes me to the farmhouse.
He suggests that I can rest in the upper room again in the afternoon.
But first we have lunch.
After lunch I want to take a shower. I see that the door of the washroom is broken. One of the hinges is torn out. I want to repair it "quickly". However, this simple repair will be very time-consuming. I hadn't considered that there are neither proper tools nor screws. I spend about 2 hours in the midday heat moving the hinge and screwing it back into place. The sweat runs down my body.
I can't get the last two screws on.
Then Ishwar helps me. He takes the screwdriver without further ado. Using the pliers as a hammer, he knocks a hole in the plastic. Then he drives a bigger screw into it. The whole thing takes less than 2 minutes. Then he says "done" and the door is repaired. That was a repair the Indian way.
It is not comparable to the way I approached this work. Just with German thoroughness.
For me it was a key experience. I am very grateful for it.
Ishwar and his wife can't believe that I spent two hours on it.
In Germany, a worker with a cordless screwdriver would have professionally moved the hinge in 5 minutes. It would have taken me an hour even with the appropriate tools.
That is exactly the reason for my pension. I think too much. And I do everything too precisely. Super accurate. And therefore take much longer than others. In Germany, that's not possible on the labour market. Fast performance is expected everywhere.
My slowness in all areas is the only "restriction" that remained after the second accident. But in the end, that's why I get my pension. Nothing better could happen to me. In other countries (where hourly wages are much lower) my thorough and accurate work is very much appreciated. For example, in the Gipsy Village in Georgia, I went from being a volunteer to a paid worker. And I really did an excellent job painting in the restaurant.
Now, with the door repaired, I can finally "shower" I douse myself with a whole bucket of cold water.
Afterwards, I soak my sweaty laundry.
Then I drink my lemon. And go up to the room. Rest for a moment.
Later I talk on the phone with friends in Germany.
From about 6 p.m. I am on the tablet and write the diary. At 6.50 pm I have written Saturday's entry. I quickly create Saturday's blog entry. At first without photos.
Around 8 pm I have dinner. Then I wash my clothes and sandals.
At about 20:30 Ishwar and I drive to the farm.
Actually I want to continue writing my diary there. But I am tired and worn out.
Ishwar and I have a short chat. Among other things, I ask him why he always leaves the light on in the storeroom at night. And the lantern in the courtyard is also on all night.
He says that this is to prevent panthers and other wild animals from coming onto the farm at night. Yes.... There are panthers here. He recently a panther ate his last dog.
I sleep from about 10 pm onwards.
The day was free of money.