Freitag, 05. Mai (Tag 50 in Bangladesch)
Um 5 klingelt der Wecker. Ich stehe sofort auf. Bleibe heute offline bei Facebook. Erstmal dusche ich schnell. Und wasche meine Wäsche.
Um 5:50 Uhr fahren Reyon und ich los. Zunächst mit Fahrradritschka bis zu einem Busbahnhof Gulisthan.
Es ist eine recht lange Ritschka Fahrt auf schlechten Straßen durch das morgendliche Zentrum von Dhaka. Um diese Zeit war ich hier noch nicht unterwegs. Es ist interessant zu sehen, wie die Stadt zum Leben erwacht. Straßenküchen befüllen ihre großen Schüsseln mit Reis. Fahrradritschkas auf denen große mehrstöckige Käfige stehen, bringen lebende Hühner zu den Straßenhändlern. Dort werden sie im Laufe des Tages auf dem Hackklotz geschlachtet. Einige Händler haben damit schon angefangen. Viele tote Hühner liegen aufgereiht am Straßenrand.
Wir fahren an Ziegen vorbei, die neben der Straße angebunden darauf warten, geschlachtet zu werden. Daneben hängen weitere halb zerlegte Ziegen.
Es ist ein normaler Morgen in Dhaka. Aber für mich ein bizzarrer Start in den Tag, der mich sehr nachdenklich macht.
Auch ich esse Fleisch. Und bezahle für das was ich hier sehe mit meinem Geld.
Diese Tiere die hier in Bangladesch täglich öffentlich sichtbar am Straßenrand geschlachtet werden, hatten aber sicherlich ein besseres Leben als die Hühner, die zur gleichen Zeit in europäischen Schlachthöfen hinter Mauern und verschlossenen Türen geschlachtet werden.
Um 6:15 Uhr kommen wir am Busbahnhof an. Für diese lange Ritschka Fahrt bezahlen wir nur 40 Taka. Dieser günstige Preis liegt daran, dass ich mit Reyon unterwegs bin. Er spricht die Fahrer an. Und verhandelt den Preis. Ich als Ausländer bezahle immer ein vielfaches von dem Preis den Einheimische zahlen. Das gilt in fast allen Bereichen.
Außerdem gibt es hier in Bangladesch zumindest bei Straßenhändlern, Ritschkas und Bussen keine einheitlichen Preise. Jeder kassiert wie er gerade möchte. Ich zahle zum Beispiel im Bus für die gleiche Strecke unterschiedliche Preise. Obst kostet manchmal am nächsten Tag viel mehr. Oder es ist günstiger.
Dann fahren wir sehr lange mit Bus. Wir fahren aus der Stadt raus. Nach etwa 15 km steigen wir im Ort Bandar beim Modonpur Bus Stop aus. Bei einem Streetfood Restaurant frühstücke ich erstmal. Paratha mit Omelette. Und Singara. Kaffee gibt es hier nicht.
Gegen 7:30 Uhr fahren wir mit Mopedritschka weitere 13 km bis in den Ort Baradi. Da der Fahrgastraum voll ist, sitzen wir vorne im Fahrerhaus.
Das ist interessant für mich. Erstmals bekomme ich einen näheren Einblick auf die einfache Technik von diesen Ritschkas. (Sonst sehe ich es ja nur aus dem vergitterten Fahrgastraum). Nach meiner Einschätzung ist die Technik etwa aus den frühen 1970er Jahren. Ob die Rischkas tatsächlich so alt sind, kann ich nicht sagen. Baugleiche Modelle gibt es in Dhaka hunderte- oder tausende.
Kurz nach 8 erreichen wir den Hindutempel Sri Sri Loknath Bramhachari Shomadi Mondir (Baradi Loknath Babar Ashram). Dieser Tempel ist einer der heiligsten Orte im Hinduismus.
Baba Lokenath Brahmachari war ein bengalischer spiritueller Meister und Yogi, der als einer der einflussreichsten Gurus der östlichen Philosophie gilt. An diesem Ort war sein Ashram, wo er im Jahr 1890 im angeblichen Alter von 160 Jahren starb. Viele Devotees aus der ganzen Welt kommen täglich hierher, um Lokenath Brahmachari zu gedenken. Auch ich spüre, dass dieser Ort eine ganz besondere Ausstrahlung hat.
Hier verbringen wir den Vormittag. Es wird allmählich immer heißer. Ein sehr heißer Tag. Zu heiß für mich. Und gerade heute hab ich keine Schirmmütze mit. Die ist ja noch nicht trocken. Ich habe Kopfschmerzen und bin müde. Kann diesen besonderen Ort gar nicht richtig genießen.
Um 11 beginnt die Essensausgabe vom Mittagessen. In der riesigen Küche wird Reis in riesigen Schüsseln gekocht.
Auf dem Hof bildet sich eine sehr lange Schlange. Das Essen kostet nur 60 Taka. Es ist aber auch sehr einfach. Reis mit Currysauce und Kartoffelbrei. Für mich zu viel Reis bei der Hitze. Ich schaffe nicht alles. Nach dem Essen fahren wir zurück. Eigentlich wollte Reyon noch zu einem Museum fahren. Aber die Fahrt mit Ritschka ist zu teuer. Und mir geht es in der Hitze nicht gut. Also fahren wir zurück zu unserem Tempel. Wieder mit Mopedritschka und langer Busfahrt in einem Bus ohne Ventilatoren.
Im Bus sitzen mehrere komplett schwarz verschleierte Frauen. Bei Temperaturen um 40 Grad. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Frauen glücklich sind. Wenn, dann haben sie eine völlig andere Vorstellung von Glück als ich. Wenn sie für ihren Glauben dazu gezwungen werden, hört damit mein Verständnis für Religion auf.
Das letzte Stück fahren wir wieder mit Fahrradritschka. Jetzt verlangt der Fahrer 60 Taka.
Gegen 14:40 Uhr sind wir wieder im Radhakanta Temple. Ich bin völlig durchgeschwitzt. Und dusche erstmal. Reyon presst freundlicherweise eine Zitrone für mich aus. Ich hänge die Wäsche von heute morgen auf dem Flachdach auf. Und nehme die Wäsche von gestern ab. Jetzt ist meine Schirmmütze trocken.
Dann ruhe ich mich aus. Ich bin echt müde und erschöpft. Den Rest des Nachmittags döse / schlafe ich.
Gegen Abend geht es mir wieder besser. Ab etwa 17:30 Uhr bin ich am Tablet. Recherchiere kurz im Netz den Tempel wo wir heute waren. Dann schreibe ich Tagebuch.
Es ist sehr gut, dass ich nicht bei Facebook bin. Und keine Nachrichten bekomme.
So kann ich mich auf das Schreiben konzentrieren. Nach meiner Einschätzung werden die Texte dadurch viel besser. Die offline Zeit tut mir sehr gut. Ich werde das zumindest während Reisepausen beibehalten.
Gegen 20 Uhr mache ich kurz Pause. Hole die Wäsche vom Dach. Jetzt höre ich auch mal wieder den Aufruf zum Nachtgebet. (Im Tempel bekomme ich die islamischen Gebetsrufe nicht mit. Oder nur sehr gedämpft)
Dann schreibe ich weiter an meinem Tagebuch. Gegen 21:20 Uhr stelle ich die Schreibarbeiten erstmal ein.
Ich telefoniere etwa 1 Stunde über WhatsApp mit meiner langjährigen Freundin Tanja.
Während dem Gespräch fällt mehrmals der Strom aus.
Aber die Internetverbindung hält.
Etwa um 22:40 Uhr gehe ich mit Reyon nochmal in die Stadt. In einem Imbiss esse ich chicken Kebab mit Fladenbrot. Später trinken wir Saft in der Saftbar.
Etwa um 23:30 Uhr sind wir zurück im Tempel. Ich wasche dann noch die Wäsche von heute Vormittag.
Ab etwa Mitternacht schlafe ich.
In a holy Hindu temple
Friday, 05 May (Day 50 in Bangladesh)
The alarm clock rings at 5. I get up immediately. Stay offline on Facebook today. First I take a quick shower. And wash my clothes.
At 5:50 am, Reyon and I leave. First by bicycle rickshaw to a bus station Gulisthan.
It is quite a long rickshaw ride on bad roads through the morning centre of Dhaka. I have not been out here at this time of the day. It is interesting to see the city come to life. Street kitchens fill their big bowls with rice. Bicycle rickshaws on which large multi-storey cages stand bring live chickens to the street vendors. There they are slaughtered on the chopping block in the course of the day. Some traders have already started doing this. Many dead chickens lie lined up on the roadside.
We pass goats tied up next to the road, waiting to be slaughtered. More half-dismembered goats hang next to them.
It is a normal morning in Dhaka. But for me, it's a bizarre start to the day that makes me very thoughtful.
I too eat meat. And pay for what I see here with my money.
But these animals, which are slaughtered here in Bangladesh every day in public view at the roadside, certainly had a better life than the chickens that are slaughtered at the same time in European slaughterhouses behind walls and closed doors.
We arrive at the bus station at 6:15 am. We pay only 40 Taka for this long Ritschka ride. This cheap price is because I am travelling with Reyon. He talks to the drivers. And negotiates the price. As a foreigner, I always pay many times more than the price paid by the locals. This is true in almost all areas.
Besides, here in Bangladesh, at least with street vendors, rickshaws and buses, there are no uniform prices. Everyone collects whatever they want. For example, I pay different prices on the bus for the same route. Fruit sometimes costs much more the next day. Or it is cheaper.
Then we travel by bus for a very long time. We drive out of the city. After about 15 km we get off at the Modonpur Bus Stop in Bandar. At a street food restaurant I have breakfast. Paratha with omelette. And Singara. There is no coffee here.
Around 7:30am we ride another 13 km by moped to the village of Baradi. As the passenger compartment is full, we sit in the front of the cab.
This is interesting for me. For the first time I get a closer look at the simple technology of these rickshaws. (Otherwise I only see it from the barred passenger compartment). According to my estimation, the technology is from the early 1970s. Whether the rickshaws are really that old, I can't say. There are hundreds or thousands of identical models in Dhaka.
Shortly after 8, we reach the Hindu temple Sri Sri Loknath Bramhachari Shomadi Mondir (Baradi Loknath Babar Ashram). This temple is one of the holiest places in Hinduism.
Baba Lokenath Brahmachari was a Bengali spiritual master and yogi who is considered one of the most influential gurus in Eastern philosophy. This place was his ashram where he died in 1890 at the reputed age of 160. Many devotees from all over the world come here daily to commemorate Lokenath Brahmachari. I too feel that this place has a very special aura.
We spend the morning here. It is gradually getting hotter and hotter. A very hot day. Too hot for me. And today of all days I don't have a cap. It's not dry yet. I have a headache and am tired. I can't really enjoy this special place.
At 11 o'clock, the lunch distribution begins. Rice is being cooked in huge bowls in the huge kitchen.
A very long queue forms in the courtyard. The meal costs only 60 Taka. But it is also very simple. Rice with curry sauce and mashed potatoes. Too much rice for me in this heat. I can't eat it all. After lunch we drive back. Actually, Reyon wanted to go to a museum. But the ride with Ritschka is too expensive. And I don't feel well in the heat. So we drive back to our temple. Again by moped richka and a long bus ride in a bus without fans.
Several women sit in the bus, completely veiled in black. At temperatures around 40 degrees. I cannot imagine that these women are happy. If they are, they have a completely different idea of happiness than I do. If they are forced to do this for their faith, my understanding of religion stops there.
The last part of the journey is again by bicycle rickshaw. Now the driver charges 60 Taka.
Around 14:40 we are back at Radhakanta Temple. I am completely drenched in sweat. And take a shower. Reyon kindly squeezes a lemon for me. I hang up the laundry from this morning on the flat roof. And take off yesterday's washing. Now my peaked cap is dry.
Then I rest. I am really tired and exhausted. The rest of the afternoon I doze / sleep.
Towards evening I feel better again. From about 17:30 I am at the tablet. I briefly research the temple where we were today. Then I write a diary.
It is very good that I am not on Facebook. And I don't get any messages.
So I can concentrate on writing. In my estimation, the texts become much better as a result. The offline time is very good for me. I will keep it up at least during travel breaks.
Around 8 pm I take a short break. I fetch the washing from the roof. Now I hear the call to night prayer again. (In the temple I don't hear the Islamic calls to prayer. Or only in a very muffled way)
Then I continue writing in my diary. Around 9:20 pm I stop writing for the time being.
I talk to my long-time friend Tanja on WhatsApp for about an hour.
During the conversation, the power goes out several times.
But the internet connection holds.
At about 22:40 I go into town again with Reyon. At a snack bar I eat chicken kebab with pita bread. Later we drink juice at the juice bar.
Around 23:30 we are back at the temple. I then do the laundry from this morning.
From about midnight I sleep.