Samstag, 13. November
Ich schlafe schlecht. Immer wieder rutsche ich runter. Und durch die unbequeme Lage habe ich nach langer Zeit wieder Schmerzen an meiner Operationsnarbe an der Hüfte. Irgendwann lege ich den Rucksack vor meine Füße. Dann ist es etwas besser.
Um 6 klingelt der Wecker. Heute muss ich mich zwingen, aufzustehen. Aber das Tagebuch schreiben ist mir sehr wichtig. Wenn ich zu lange im Rückstand bin, komme ich nicht mehr hinterher. Und meine Erinnerungen gehen verloren.
Ich wundere mich über den komischen Geruch von meinem Rucksack. Und er ist feucht. Gut, dass ich mein Tablet sicher in einem Plastikbeutel verpackt habe. Ich denke mir schon, dass da was ausgelaufen ist. Aber morgens um kurz nach 6 ist es noch dunkel und ich kann es jetzt eh nicht mehr ändern. Also schreibe ich erstmal Tagebuch. Ich schaffe allerdings nur den Rest von Mittwoch und die Hälfte von Donnerstag.
Um 8:30 Uhr breche ich es ab. Und starte in den Tag. Heute morgen ist es recht frisch und kalt. Auf der nahen Hauptverkehrsstraße rollt der Berufsverkehr vorbei. Aber heute ist es hinter Büschen versteckt.
Dann entdecke ich die Ursache für den Geruch. Die Dose Eiscafé ist ausgelaufen. Und der Rucksack mitsamt Inhalt ist mit Eiscafé durchränkt. Aber mich kann schon lange nichts mehr erschüttern. Ich lege den Rucksack so gut es geht trocken. Und reinige ihn mit Feuchttüchern. Die werden allerdings knapp. Und mich ärgert etwas, dass die Broschüre von meiner ehemaligen BI bedingungsloses Grundeinkommen Nienburg trotz Plastikbeutel mit Eiscafé eingesaut ist. Aber das ist jetzt nicht mehr zu ändern. Auch mein kleiner Rucksack hat sehr viel abbekommen. Ich werde ihn demnächst richtig mit Wasser waschen. Das wichtigste, mein Reisepass, ist im oberen Fach mit Reißverschluss, und doppelt in Plastik eingepackt, trocken geblieben. Genau wie die Postkarten. Die schleppe ich ja auch schon länger mit mir rum. Bin bisher nicht dazu gekommen, sie zu schreiben und abzuschicken.
Dieser Vorfall zeigt mir mal wieder, dass Dinge aus Papier auf so einer Reise für mich komplett untauglich sind. Ich habe fast keine Möglichkeit sie dauerhaft vor Feuchtigkeit zu schützen. Und auch Lebensmittel oder Getränke mitzunehmen, ist sehr schwer. Entweder verderben sie sehr schnell, oder die Verpackung geht kaputt und läuft der Inhalt läuft aus.
Das reinigen von meinem Rucksack dauert sehr lange. Und ich verbrauche fast die ganzen Feuchttücher. Dann wasche ich mich. Auch das ist heute sehr unbequem. Nicht nur das das Wasser eiskalt ist…daran hab ich mich gewöhnt. Mein Hauptproblem ist der abschüssige Boden.
Dieser Morgen ist nicht grad der Beste meiner Reise. Aber auch das gehört dazu. Das ist das reale Leben. Und das Leben besteht nun mal nicht nur aus Sonnenschein und schönen Bildern einer wunderbaren Landschaft. Die sehe ich, als ich dann mein Zelt öffne. Ich bin seit langem mal wieder in der Natur. Das ist ein krasser Gegensatz zu den letzten 3 Wochen. Und genau das ist der besondere Reiz meiner Reise. Ich erlebe das Leben und jedes Land durch das ich komme, in all seinen Facetten. Viel positives, super freundliche Menschen. Gastfreundschaft. Wunderschöne Natur. Großstädte. Reichtum. Party. Bestes Essen im Überfluss. Ich sehe wie unterschiedlich Menschen leben. Vom Luxus Appartement bis zur einfachen Kellerwohnung. Aber ich sehe auch das negative. Die Müllberge, die Menschen die im Müll nach Wertstoffen suchen. Schlechte Straßen in Albanien. Oder hier in der Natur weggeworfene Flaschen, die offenbar Urin enthalten. (Ich vermute, dass LKW Fahrer sie während der Fahrt aus dem Fenster geworfen haben) Diese unterschiedlichen Einblicke bekommt kaum jemand. All das was ich in den letzten 14 Monaten gesehen und erlebt habe, hat meinen Horizont erweitert. Es hat mir einen ganz anderen Blickwinkel auf das Leben und die Welt gegeben. Die größte Erkenntnis meiner Reise ist die, dass es überall auf der Welt wunderschön ist. Jedes Land hat seinen eigenen Reiz. Aber ein Problem gibt es überall. Das sind die jeweiligen Regierungen. Es ist überall das selbe. Egal ob in Deutschland, Kroatien, Albanien oder hier in der Türkei. Die Menschen sind unzufrieden mit der Politik in ihrem Land. Und überall träumen die Menschen von einem besseren Leben. In Kroatien, Albanien oder der Türkei wollen sie nach Deutschland. Aber ich kann aus eigener Lebenserfahrung sagen, dass Deutschland nicht das Schlaraffenland ist von dem die Menschen hier träumen. Und Probleme in Deutschland sind nicht nur deutsche Probleme. Sondern die gibt es überall. Insbesondere was die aktuelle Situation betrifft.
Für mich bestätigt das immer wieder, dass jegliche Art von Politik nur dazu dient, den Reichtum von einer kleinen Elite zu erhalten. Ich lehne mittlerweile jedes politische System ab. Und bin heilfroh, dass ich mich im Laufe meines Lebens so weit von der normalen modernen Konsumwelt entfernt habe, dass mich das alles kaum betrifft. Da sind mir meine kleinen Probleme wie kaltes Wasser oder ein durch Eiscafé eingesauter Rucksack doch lieber.
An diesem Morgen bin ich sehr nachdenklich. Dadurch dauert auch das zusammenpacken meiner Sachen sehr lange. Aber das macht nichts. Ich habe ja Zeit. Und lasse mir Zeit. Dann kann das Zelt in der Morgensonne richtig abtrocknen und lüften. Das beladen von meinem Fahrrad ist heute schwierig. Weil auch in der Wasserrinne der Boden abschüssig ist. Das ist eines meiner kleineren Probleme. Nachdem ich alles bis auf das Zelt eingepackt habe, frühstücke ich. Cornflakes mit Haferflocken. Dann baue ich das Zelt ab. Mittlerweile ist es 12:45 Uhr.
Ich schiebe das Rad die Steigung der Wasserrinne hoch. Um 13 Uhr bin ich auf der Straße. Und wieder auf meiner Komoot Route. Bis zu meinen Freunden in der Nähe von Şile sind es noch 40 km. Es geht bergab. Ich komme gut voran. Nach 20 Minuten biege ich auf eine Nebenstrecke ab. Dann komme ich an einer Abbiegung an einer Raststätte vorbei. Hier ist eine Wasserstelle. Und mehrere Stände, wo neben Türkischem Çay Gerichte für unterwegs zubereitet werden. Auf offenen Feuerstellen. Es ist nicht mit einer Raststätte in Deutschland zu vergleichen. Eine Toilette gibt es hier auch nicht. Und keiner der Frauen an den Verkaufsständen spricht englisch. Die Verständigung ist schwierig. Es klappt trotzdem. Ich bekomme zu meinem Tee ein mit Käse gefülltes Fladenbrot. Und bezahle nur 25 Lira. Das ist günstiger als in einem der Döner Imbisse in Istanbul. Döner gibt es hier übrigens nicht. Gegen 14 Uhr fülle ich noch meinen Wasserkanister auf und fahre weiter.
Es geht überwiegend bergab. Ich komme auf der gut ausgebauten Straße gut voran.
Gegen 17 Uhr schreibe ich Ozgur. Es sind nur noch 10 km. Das schaffe ich heute noch. Auch wenn es laut meinem Komoot Navi auf dem letzten Stück bergauf geht. Und ja…es geht wirklich steil bergauf. Nach einer Weile mache ich am Straßenrand Pause. Ich habe Hunger. Also esse ich schnell Cornflakes. Dann schiebe ich das Rad weiter bergauf. Es sind noch etwa 7 km. Gegen 17:40 Uhr hält ein Pickup Jeep neben mir. Eine Familie mit etwa 10 jährigem Jungen. Der Fahrer spricht gut englisch. Er bietet mir an, mich ein Stück mitzunehmen. Wir heben mein Fahrrad auf die Ladefläche. Während der Fahrt unterhalten wir uns gut. Spontan bietet er an, mich bis zu meinen Freunden zu bringen. Etwa um 18 Uhr kommen wir dort an. Ich werde sehr freundlich empfangen.
Ozgur und seine Freunde leben auf dem Gelände einer Ferienhausanlage in der Nähe von Şile. Hier betreiben sie für den Eigenbedarf eine Selbstversorgerlandwirtschaft. Sie wohnen in einem kleinem, einfachen und gemütlichen Haus. Wir laden mein Fahrrad ab. Ich verabschiede mich von dem Fahrer und seiner Familie. Und komme in der WG von Ozgur an. Ich kann im Wohnzimmer auf dem Sofa schlafen. Das Fahrrad bekommt einen Platz unter dem Vordach. Dann werde ich gleich zum Essen eingeladen. Es gibt Suppe mit frischen Gemüse aus eigenem Anbau als Beilage. Dazu Brot. Wir unterhalten uns noch kurz.
Den Rest des Abends entspanne ich mich. Ich bin heute doch recht müde und kaputt. Ab 22:30 Uhr schlafe ich.
Ich habe heute 43 km zurück gelegt. Davon wurde ich etwa 7 km im Auto mitgenommen.
On the way to Şile
Saturday, 13 November
I sleep badly. Again and again I slide down. And because of the uncomfortable position, I have pain again after a long time on my operation scar on my hip. At some point I put the backpack in front of my feet. Then it is a little better.
At 6 the alarm clock rings. Today I have to force myself to get up. But writing the diary is very important to me. If I fall behind too long, I can't keep up. And my memories get lost.
I wonder about the strange smell of my backpack. And it's damp. Good thing I packed my tablet safely in a plastic bag. I think to myself that something has leaked. But it's still dark in the morning shortly after 6 and I can't help it now anyway. So I start writing in my diary. I only manage the rest of Wednesday and half of Thursday.
At 8:30 I break it off. And start the day. This morning it is quite fresh and cold. Rush hour traffic rolls by on the nearby main road. But today it is hidden behind bushes.
Then I discover the cause of the smell. The can of ice cream has leaked. And the backpack and its contents are soaked with ice coffee. But nothing can shake me for a long time. I dry the rucksack as best I can. And clean it with wet wipes. They're running low, though. And I'm a bit annoyed that the brochure from my former BI bedingungsloses Grundeinkommen Nienburg is soiled with ice coffee despite the plastic bag. But that can't be helped now. My little backpack also got a lot of dirt. I will wash it properly with water soon. The most important thing, my passport, stayed dry in the zipped top compartment, double wrapped in plastic. Just like the postcards. I've been carrying them around with me for a while now. I haven't got around to writing and sending them yet.
This incident shows me once again that things made of paper are completely unsuitable for me on a trip like this. I have almost no way of protecting them permanently from moisture. And it is also very difficult to take food or drinks with me. Either they spoil very quickly, or the packaging breaks and the contents leak out.
Cleaning my backpack takes a very long time. And I use up almost all the wet wipes. Then I wash myself. That is also very uncomfortable today. Not only is the water freezing cold...I've got used to that. My main problem is the sloping ground.
This morning is not exactly the best of my journey. But that is also part of it. That's real life. And life doesn't just consist of sunshine and beautiful pictures of a wonderful landscape. That's what I see when I open my tent. It's been a long time since I've been out in nature. It's a stark contrast to the last 3 weeks. And that is exactly the special charm of my journey. I experience life and every country I pass through in all its facets. Lots of positive things, super friendly people. Hospitality. Beautiful nature. Big cities. Wealth. Party. Best food in abundance. I see how differently people live. From luxury flats to simple basement flats. But I also see the negative. The mountains of rubbish, the people who search for recyclables in the rubbish. Bad roads in Albania. Or bottles discarded here in nature that apparently contain urine. (I suspect that lorry drivers threw them out of the window while driving) Hardly anyone gets these different insights. All that I have seen and experienced in the last 14 months has broadened my horizons. It has given me a completely different perspective on life and the world. The biggest realisation of my trip is that it is beautiful everywhere in the world. Every country has its own charm. But there is one problem everywhere. That is the governments. It's the same everywhere. Whether in Germany, Croatia, Albania or here in Turkey. People are dissatisfied with the politics in their country. And everywhere people dream of a better life. In Croatia, Albania or Turkey, they want to go to Germany. But I can say from my own life experience that Germany is not the land of milk and honey that people dream of here. And problems in Germany are not only German problems. There are problems everywhere. Especially with regard to the current situation.
For me, this confirms again and again that any kind of politics only serves to preserve the wealth of a small elite. I now reject every political system. And I am glad that in the course of my life I have distanced myself so far from the normal modern world of consumption that all this hardly affects me. I'd rather deal with my little problems like cold water or a backpack soaked in ice coffee.
This morning I am very thoughtful. As a result, it takes a long time to pack up my things. But that doesn't matter. I have time. And I take my time. Then the tent can dry properly in the morning sun and air out. Loading my bike is difficult today. Because the ground is also sloping in the water channel. That is one of my minor problems. After packing everything except the tent, I have breakfast. Cornflakes with oatmeal. Then I take down the tent. By now it is 12:45am.
I push the bike up the slope of the water channel. At 1 pm I'm on the road. And back on my Komoot route. It's still 40 km to my friends near Şile. It's downhill. I make good progress. After 20 minutes I turn onto a side road. Then I pass a turn-off at a rest stop. Here is a watering place. And several stalls where, besides Turkish Çay, dishes are prepared for the road. On open fireplaces. It is not comparable to a rest stop in Germany. There is no toilet here either. And none of the women at the stalls speak English. Communication is difficult. Nevertheless, it works. I get a flatbread filled with cheese to go with my tea. And I only pay 25 Lira. That's cheaper than in one of the kebab restaurants in Istanbul. There are no kebabs here, by the way. Around 2 pm I fill up my water canister and continue on my way.
It's mostly downhill. I make good progress on the well-built road.
Around 5 pm I write to Ozgur. There are only 10 km to go. I can still do that today. Even though, according to my Komoot navigation system, the last stretch is uphill. And yes...it really is steep uphill. After a while I take a break at the side of the road. I am hungry. So I quickly eat some cornflakes. Then I push the bike further uphill. There are still about 7 km to go. At about 17:40 hrs a pickup jeep stops next to me. A family with a 10-year-old boy. The driver speaks good English. He offers to give me a lift. We lift my bike onto the back of the truck. During the ride we have a good chat. Spontaneously, he offers to take me to my friends' house. Around 6 pm we arrive there. I receive a very friendly welcome.
Ozgur and his friends live on the grounds of a holiday home complex near Şile. Here they run a self-sufficient farm for their own needs. They live in a small, simple and cosy house. We unload my bicycle. I say goodbye to the driver and his family. And arrive at Ozgur's shared flat. I can sleep on the sofa in the living room. The bicycle gets a place under the canopy. Then I am immediately invited to dinner. They serve soup with fresh vegetables from their own garden as a side dish. And bread. We chat briefly.
I relax for the rest of the evening. I am quite tired and worn out today. From 22:30 I sleep.
I have covered 43 km today. Of that, I got a lift in the car for about 7 km.