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Arbeit - Ich erzähle warum ich so langsam bin

<Das war der Mittwoch  

Donnerstag,  03. Dezember - auch heute Nacht schneit es. 

Heute klingelt mein Wecker um 6:45 Uhr. Als erstes kümmere ich mich um den Holzofen, der die Zentralheizung versorgt. Dann schieben Kresimir und ich gemeinsam Schnee auf dem Hof.

Kresimir bemerkt schon nach kurzer Zeit, dass ich sehr langsam und umständlich arbeite.

Nachdem der Hof vom Schnee befreit ist, erzähle ich ihm beim gemeinsamen morgendlichen Kaffee von den Gründen für meine Langsamkeit. Das es an den Kopfverletzungen liegt, die ich bei meinem 2. Unfall hatte. Das ich aufgrund dessen nicht mehr erwerbsfähig bin. Weil ich langsam bin. Zu langsam für die vom System geforderte Geschwindigkeit. Wir unterhalten uns sehr lange auf englisch. Ich erzähle von meinem Leben. Das ich im Jahr 2000 nach dem Unfall 1 Monat im Koma lag. Das ich den Jahrtausendwechsel nicht mitbekommen habe. Das ich dann nichts mehr konnte. Dass ich alles von Beginn an neu lernen musste. Sprechen, stehen, laufen, essen, anziehen, schreiben…..die alltäglichen und normalen Dinge. Das ich dann nach einem halben Jahr arbeitsfähig entlassen wurde. Dass ich bei der Bundeswehr ausgemustert wurde. Und von meiner vorherigen Firma wieder eingestellt wurde. In einer Fabrik am Fließband eine Kunststoffmasse auf eine Gewebeplane auftragen musste. Das ich auf einmal zu langsam war. Das mein Vorgesetzter (der vor dem Unfall sehr zufrieden mit mir war) jetzt zu mir sagte „Sie müssen schneller arbeiten. Wir schaffen sonst unsere Stückzahl nicht.“ Das dieser Satz für mich der Auslöser war, das System zu hinterfragen. Ich erzähle Kresimir, dass dieser 2. Unfall  mein Leben verändert hat. Nicht nur, weil ich keinen Alkohol mehr trinke.

Wir verbringen auch den heutigen Tag überwiegend zusammen. Nachmittags helfe ich einer Bekannten. Sie verteilt Werbeprospekte von Lidl in Ogulin. Ich übernehme heute einen Teil ihrer Tour. Diese Arbeit kenne ich aus meiner Jugend. Ich hab Jahrelang Werbeprospekte und die Sonntagszeitung ausgetragen. Ruckzuck bin ich meinen Stapel Prospekte los. Das einzig schwierige ist die Verständigung mit den Menschen die mir begegnen. Kaum jemand kann englisch. Ich sage nur „dobradan“ (guten Tag). Kann aber nicht verstehen was mir gesagt wird.

Ich werde in den nächsten Wochen kroatische Vokabeln lernen. Damit ich mich wenigstens einigermaßen verständigen kann.

Abends fahre ich mit Kresimir zu seinem Bruder nach Oštarije. Die Familie hat heute 2 Schweine geschlachtet. Und wir sind zum essen eingeladen. Ich gehöre selbstverständlich dazu.

Ich bin glücklich. Und genieße die Vorweihnachtszeit hier in Kroatien.

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