Donnerstag, 24. August
Ich schlafe sehr gut in dem frisch bezogenen Bett.
Etwa um 7:20 Uhr wache ich auf. Kurz vor dem Wecker klingeln.
Ausgeschlafen starte ich mit einer kalten Dusche in den Tag.
Kurz nach 8 gehe ich in die Stadt. Als erstes fällt mir auf, wie dreckig es auf der Straße ist. Und wie viel Müll überall herumliegt.
Die umliegenden Straßen Restaurants sind noch geschlossen. Ich frage mich durch, wo es Frühstück gibt. „Breakfast“ versteht fast jeder. Um die Ecke ist ein einfaches Restaurant, wo es veganes Frühstück gibt. Aloo Paratha. Und Milchtee. Das passt. Zu den gefüllten Paratha gibt es „Kartoffeln“. Und es gibt sogar 2 x Nachschlag. Für insgesamt nur 80 Rupies. Das passt auch. Wenn man sich in den einfachen Street Restaurants auf die Indischen Standartgerichte beschränkt, ist Indien super günstig.
Als ich dann wieder beim Hotel bin, frage ich nach WLAN. Der Mann von der Rezeption verbindet mein Handy damit. Aber das Internet funktioniert nicht.
Dann bestelle ich Kaffee. Der kostet 50 Rupies. Ich gebe dem jungen Mann einen 100 Rupie Schein. Rechne aber schon damit, dass es schwierig wird, das Wechselgeld zurück zu bekommen. Er wird es als Trinkgeld fordern.
Im Zimmer lege ich erstmal die indische Simkarte wieder ins Handy. Sie wird zwar erkannt, aber nicht richtig angezeigt. Das wundert mich. Vor 2 Wochen ging sie noch. Es wird kein Guthaben mehr drauf sein.
Also bleibe ich erstmal offline. Aber es gibt schlimmeres.
Ab 9:40 Uhr schreibe ich Tagebuch. Der Strom fällt aus. Nach kurzer Zeit springt das Notstrom Aggregat draußen an. Ganz klar… Ich bin wieder in Indien. Der Dreck, Müll und die Stromausfälle gehören einfach dazu. Dann kommt der Junge Mann vom Zimmerservice mit meinem Kaffee. Und dem Wechselgeld. Er verlangt aber Trinkgeld. Ich rechne ihm hoch an, dass er mir das Wechselgeld ungefragt zurückgibt. (Das ist hier in Indien nicht selbstverständlich). Dann gebe ich ihm den 50 Rupies Schein als Trinkgeld wieder. Jetzt ist er glücklich. Auch ich bin glücklich. Das passt!
Aber ja… Auch das gehört zu Indien.
Kurz vor 11 breche ich die Schreibarbeiten ab, damit es nicht zu spät wird. Ich nehme mir vor, im Zug weiter zu schreiben. (Aber daraus wird nichts)
Dann packe ich schnell meine Sachen zusammen.
Etwa um 11:15 Uhr verlasse ich mein Zimmer und checke aus. Erstmal gehe ich zurück zum nahe gelegenen Bahnhof. Es dauert eine Weile, bis ich den Ticketschalter finde. Ich kaufe ein Ticket nach Lakhnau. Die 279 km Fahrt kostet 120 Rupies. Die Frau sagt mir zwar, von welchem Gleis der Zug fährt, aber ich verstehe es nicht, weil es zu laut ist. Auch auf der elektronischen Anzeige sehe ich den Zug nicht. Ein Mitarbeiter vom Gepäckscanner hilft mir. Er sagt, dass es heute Probleme auf der Strecke gibt. Der einzige Zug nach Lakhnau fährt um 16:35 Uhr. Er steht schon ab etwa 15 Uhr bereit.
Jetzt ist es 11:40 Uhr. Also hab ich noch Zeit zum Mittagessen. Ich verlasse den Bahnhof erstmal wieder. Auf der anderen Straßenseite sind ja viele Restaurants. Und ich sehe einen Airtel Shop. Dorthin gehe ich zuerst. Der Mitarbeiter erklärt mir, dass die Karte abgelaufen ist. Und deaktiviert wurde. Ich kann sie aber für 200 Rupies erneut für 1 Jahr aktivieren. Und dann wieder ein Paket buchen. Also bezahle ich insgesamt 500 Rupies. Der Mann schaltet sie frei. Und ich bin sofort online! Es überrascht mich, wie einfach und schnell das geht. Es ist kein Ausweis und keinerlei Registrierung oder Unterschrift erforderlich. Nur Bargeld. Im fernen Deutschland ist so etwas unvorstellbar. Indien überrascht mich immer wieder. Diesmal sehr positiv. Und ja….Dieses Land hat viele Probleme. Vieles was mich gewaltig stört.
Aber auch vieles, was einfach nur krass genial ist. Vieles was in anderen Ländern extrem kompliziert ist, ist hier super einfach. Und genau für diese Mischung und die krassen Gegensätze liebe ich dieses Land! Mir ist mittlerweile klar geworden, dass es wahrscheinlich weltweit kein Land (mehr) gibt, wo alles nur positiv ist. Das Paradies gibt es nicht! Aber Indien ist trotz der vielen Probleme, ein Land in dem ich mir vorstellen kann, dauerhaft zu leben.
Dann gehe ich in eines der vielen traditionellen Restaurants. Es gibt keine englische Speisekarte. Aber der freundliche Mitarbeiter erklärt mir die Gerichte auf englisch. Ich bestelle Thalia. Für 170 Rupies erhalte ich ein tolles Essen. Mit Gemüse und Panier. Allerdings gibt es hier keinen Nachschlag.
Da ich keine Lust habe, ohne Geld in der Stadt rumlaufen, gehe ich zurück zum Bahnhof. Und schon mal zum Gleis. Dort steht ein Zug. Aber die Städte auf der Anzeige sagen mir nichts.
Bis mein Zug kommt, ist ja noch viel Zeit. Ich setz mich auf eine Bank. Bin bei Facebook, surfe im Internet und chatte mit Freunden.
In den Zug steigen immer mehr Fahrgäste ein. Mittlerweile ist es 15 Uhr. Ich guck bei Google. Dort fast der Zug mit dem ich fahren werde, aufgelistet. Als ich mir dann den Fahrtverlauf angucke, sehe ich, dass es der Zug ist, der bereits seit fast 2 Stunden vor mir steht. Und in den jetzt immer mehr Fahrgäste einsteigen.
Ich weiß ja mittlerweile, dass ein Ticket ohne Reservierung nur im ersten Waggon gilt. Ich gehe den Zug entlang bis zum Anfang. Aber es ist das Ende. Also gehe ich wieder zurück. Dieser Zug ist sehr lang! Wie alle Züge in Indien. Die meisten der Waggons sind Sleeper Wagen. Für die man eine Reservierung braucht.
Als ich dann zum ersten Waggon komme, ist der bereits überfüllt! Alle Sitzplätze sind belegt. Die Fahrgäste stehen bis zu den Türen. Ich passe mit meinem großen Rucksack grad noch so rein. Komme aber nicht weit. Also bleibe ich im Gang. Und setze mich so gut es geht auf meinen Rucksack. Immer mehr Fahrgäste steigen ein. Es wird immer enger und bedrängter.
Pünktlich um 16:35 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung. Es wird trotz der Enge eine recht entspannte Fahrt. Hin und wieder wollen andere Fahrgäste durch den Gang. Und immer wieder drängen sich Verkäufer mit Trinkwasser, Tee oder Snacks durch den engen Gang. Neben mir ist ein junger Mann offenbar stark betrunken. Er trinkt auch im Zug weiter. Wie Mitreisende sagen, ist in seiner Brause Flasche Wein. Er kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Irgendwann liegt er mitten im Eingang auf dem Boden. Offenbar will er nach Lakhnau. Hin und wieder springt er auf, und fragt „Lucknow?“
Dann sackt er wieder zusammen. Später nimmt er andere „Drogen“. Irgendein Pulver aus bunten Tütchen. Das verteilt er auch an Umstehende. Der Mann direkt neben mir schläft daraufhin sofort ein. Und kuschelt sich an mich. Mir ist das äußerst unangenehm.
Später liegt der Betrunkene fast nur noch im Gang. Die umstehenden Männer machen sich über ihn lustig.
Mir tut dieser arme Mann leid.
Und es weckt Erinnerungen an längst vergangene- und verdrängte Zeiten. In meiner Jugend ging es mir sehr oft genau so. Oder noch schlimmer.
Viel zu oft habe ich bis zur Besinnungslosigkeit gesoffen. Und lag dann auch zum Gespött meiner Saufkumpanen auf dem Boden. Oft in meiner Kotze. Viel zu oft hab ich die Kontrolle verloren.
Die Kontrolle über meine Worte. Aber auch das was ich getan habe. Wutausbrüche. Gewalt. Sinnlose Zerstörungswut. Aggressionen. Straftaten. Probleme….
Viel zu oft habe ich mich im Vollrausch ans Steuer vom Auto gesetzt. Oft ging es gut. Aber oft auch nicht. Der 1. sehr schwere Unfall mit 18…. Ich hab nichts daraus gelernt. Weitere Unfälle und kaputte Autos. Die Probleme wurden immer größer…. Erst der 2. schwere Unfall, bei dem mein bester Freund gestorben ist, hat mich wachgerüttelt. So etwas möchte ich niemals wieder erleben! Ich hab für mich selbst erkannt, dass ich mit dem Alkohol nicht umgehen kann. Und einen Cut gemacht. Das ist jetzt 23 Jahre her. Seitdem habe ich nie wieder einen Schluck Alkohol getrunken. Diese Entscheidung war der Beginn von meinem langen Weg zum inneren Frieden. Vom besoffenen, gewalttätigen kriminellen Chaoten zum Friedensaktivisten. Darauf kann ich stolz sein.
Gegen 21:40 Uhr erreicht der Zug Lakhnau. Nachdenklich steige ich aus.
Die „Taxi? Hotel?“ Angebote überhöre ich.
Wie immer gehe ich erstmal was Essen. In einem traditionellen Straßenrestaurant gegenüber vom Bahnhof esse ich gemischtes Gemüse. Es schmeckt richtig gut. Und ist recht günstig.
Dann mache ich mich auf die Suche nach einem Hotel. Da mein Geld zuende geht, muss es günstig sein. Das erste Hotel verlangt 1200 Rupies pro Nacht. Das kann ich mir nicht leisten. Im nächsten sind es 800. Auch das ist zu teuer. Ich frage den Mann, ob er ein günstigeres Hotel weiß. „I need just a simple room. Non AC“
Er geht mit mir zu einem anderen Hotel in einer Seitenstraße. Aber das Zimmer kostet hier auch 800. Ich handle… 600? Dann einigen wir uns auf 750.
Auch hier geht der Check In schnell und unkompliziert.
Um 23:20 Uhr beziehe ich das Zimmer im Erdgeschoss. Es ist recht groß. Die Möblierung besteht nur aus einem großen Bett, sowie zwei kleinen Kommoden. Das Bad hat Gebrauchsspuren. Der Durchlauferhitzer und der Duschkopf existieren nicht mehr. Aber das kenne ich ja bereits.
Ich richte mich kurz ein. Dann setze ich mich zum duschen unter den Wasserhahn.
Ich hab hier kein Internet. Aber das macht nichts.
Später esse ich noch Knoblauch.
Ab etwa 1 Uhr schlafe ich.
Jetzt bin ich so gut wie pleite. Ich hab noch etwa 500 Rupies. Das wird morgen grad noch für etwas zu essen und die Busfahrt nach Ataria reichen.
Back in India. Train journey to Lakhnau. Thoughts
Thursday, 24 August
I sleep very well in the freshly made bed.
At about 7:20 I wake up. Just before the alarm clock rings.
Well rested, I start the day with a cold shower.
Shortly after 8 I go into town. The first thing I notice is how dirty the street is. And how much rubbish is lying around everywhere.
The surrounding restaurants are still closed. I ask around where they serve breakfast. Almost everyone understands "breakfast". Around the corner is a simple restaurant serving vegan breakfast. Aloo Paratha. And milk tea. That goes well. The stuffed paratha comes with "potatoes". And there are even 2 x second helpings. For a total of only 80 rupees. That also fits. If you limit yourself to the standard Indian dishes in the simple street restaurants, India is super cheap.
When I get back to the hotel, I ask for Wi-Fi. The man at the reception connects my mobile phone to it. But the internet does not work.
Then I order coffee. It costs 50 rupees. I give the young man a 100 rupee note. But I expect that it will be difficult to get the change back. He will ask for it as a tip.
Back in the room, I put the Indian sim card back into the mobile phone. It is recognised, but not displayed correctly. That surprises me. Two weeks ago it still worked. There will be no more credit on it.
So I'll stay offline for now. But there are worse things.
I start writing my diary at 9:40. The power goes out. After a short while, the emergency generator outside kicks in. Clearly... I am back in India. The dirt, rubbish and power cuts are just part of it. Then the young man from room service comes with my coffee. And the change. But he demands a tip. I give him credit for giving me back the change without asking. (That is not a matter of course here in India). Then I give him back the 50 rupees note as a tip. Now he is happy. I am happy too. That fits!
But yes... That is also part of India.
Shortly before 11, I stop writing so that it won't be too late. I plan to continue writing on the train. (But nothing comes of it)
Then I quickly pack up my things.
At about 11:15 I leave my room and check out. First I walk back to the nearby train station. It takes a while until I find the ticket office. I buy a ticket to Lakhnau. The 279km ride costs 120 Rupees. The woman tells me which track the train is leaving from, but I don't understand it because it is too loud. I cannot see the train on the electronic display either. An employee from the luggage scanner helps me. He says that there are problems on the track today. The only train to Lakhnau leaves at 16:35. It has been waiting since about 3pm.
Now it is 11:40. So I still have time for lunch. I leave the station again for now. On the other side of the street there are many restaurants. And I see an Airtel shop. I go there first. The employee tells me that the card has expired. And has been deactivated. But I can activate it again for 200 rupees for 1 year. And then book a package again. So I pay a total of 500 rupees. The man activates it. And I am online immediately! I am surprised how easy and quick it is. No ID and no registration or signature is required. Only cash. In faraway Germany, something like that is unimaginable. India surprises me again and again. This time very positively. And yes....this country has many problems. Many things that disturb me enormously.
But also many things that are simply brilliant. Many things that are extremely complicated in other countries are super simple here. And it's exactly for this mixture and the stark contrasts that I love this country! I have now realised that there is probably no country in the world (any more) where everything is only positive. There is no such thing as paradise! But despite the many problems, India is a country where I can imagine living permanently.
Then I go to one of the many traditional restaurants. There is no English menu. But the friendly staff explains the dishes to me in English. I order Thalia. For 170 rupees I get a great meal. With vegetables and breadcrumbs. However, there is no second helping here.
As I don't feel like walking around town without money, I walk back to the station. And to the platform. There is a train there. But the cities on the display mean nothing to me.
There is still plenty of time before my train arrives. I sit down on a bench. I'm on Facebook, surfing the Internet and chatting with friends.
More and more passengers board the train. By now it is 3 pm. I look on Google. The train I'm going to take is almost listed there. When I look at the journey history, I see that it is the train that has already been in service for a long time. And which more and more passengers are now boarding.
I know by now that a ticket without a reservation is only valid in the first carriage. I walk along the train to the beginning. But it is the end. So I go back again. This train is very long! Like all trains in India. Most of the carriages are sleeper carriages. For which you need a reservation.
When I get to the first carriage, it is already overcrowded! All the seats are taken. The passengers are standing up to the doors. I barely fit in with my big backpack. But I don't get far. So I stay in the aisle. And sit on my backpack as best I can. More and more passengers get on. It gets tighter and tighter.
Punctually at 16:35 the train starts moving. Despite the cramped conditions, it is a fairly relaxed journey. Every now and then, other passengers want to pass through the aisle. And again and again, vendors with drinking water, tea or snacks push their way through the narrow aisle. Next to me, a young man is obviously very drunk. He continues to drink even on the train. According to fellow passengers, there is a bottle of wine in his fizzy drink. He can hardly stand on his feet. At some point he lies on the floor in the middle of the entrance. Obviously he wants to go to Lakhnau. Every now and then he jumps up, asking "Lucknow?"
Then he slumps down again. Later he takes other "drugs". Some powder from colourful sachets. He also distributes this to bystanders. The man right next to me immediately falls asleep. And cuddles up to me. This makes me extremely uncomfortable.
Later, the drunk almost only lies in the corridor. The men standing around make fun of him.
I feel sorry for this poor man.
And it brings back memories of times long past and repressed. In my youth, I often felt the same way. Or even worse.
Far too often I drank myself into a stupor. And then I lay on the floor to the mockery of my drinking buddies. Often in my vomit. Far too often I lost control.
Control over my words. But also what I did. Outbursts of rage. Violence. Senseless destructive rage. Aggression. Crimes. Problems....
Far too often I got behind the wheel of a car in a drunken stupor. Often it went well. But often not. The 1st very serious accident at 18.... I learned nothing from it. More accidents and broken cars. The problems got bigger and bigger.... It wasn't until the 2nd serious accident, in which my best friend died, that I woke up. I never want to experience something like that again! I realised for myself that I couldn't handle alcohol. And I made a cut. That was 23 years ago now. Since then I have never had a sip of alcohol again. This decision was the beginning of my long road to inner peace. From drunken, violent and criminal slob to peace activist. I can be proud of that.
The train reaches Lakhnau at around 9:40 pm. Thoughtfully I get off.
The "Taxi? Hotel?" I ignore the offers.
As usual, I go for a meal first. In a traditional street restaurant opposite the station I eat mixed vegetables. It tastes really good. And quite cheap.
Then I start looking for a hotel. As my money is running out, it has to be cheap. The first hotel charges 1200 rupees per night. I cannot afford that. The next one is 800, which is also too expensive. I ask the man if he knows a cheaper hotel. "I just need a simple room. Non AC"
He takes me to another hotel in a side street. But the room here also costs 800. I bargain... 600? Then we agree on 750.
Here, too, the check-in is quick and uncomplicated.
At 11:20 pm I check into the room on the ground floor. It is quite large. The furniture consists only of a large bed and two small chests of drawers. The bathroom shows signs of use. The instantaneous water heater and the shower head no longer exist. But I already know that.
I settle in briefly. Then I sit down under the tap to take a shower.
I don't have internet here. But that doesn't matter.
Later I eat some garlic.
From about 1 am I sleep.
Now I am as good as broke. I have about 500 rupees left. Tomorrow, that will just be enough for something to eat and the bus ride to Ataria.