Samstag, 10. Dezember (Tag 3 in Pakistan)
Auch heute klingelt der Wecker um 7. Ich gehe zum Sanitärgebäude. Und wasche mich kurz.
Dann packe ich meine Sachen zusammen. Und räume mein Zimmer auf. Das Frühstück fällt wieder aus.
Ich verabschiede mich von den Häftlingen in der Zelle.
Etwa um 9 geht es los. Wir packen mein Fahrrad auf den 1. Pickup. Dann beginnt eine chaotische Fahrt! Mit etwa 10 X Fahrzeugwechsel.
Von 1 offenen Ladefläche auf die Nächste.
Diese Fahrten bei hoher Geschwindigkeit auf schlechten Straßen sind abenteuerlich!
Besonders die 2. Fahrt ist grenzwertig. Ich sitze ohne jede Sicherung hinten. Die Bordklappe bleibt offen. Bei der hohen Geschwindigkeit hab ich Mühe mich festzuhalten. Später merke ich, dass das hier „normal“ ist. Ich sehe oft Fahrzeuge, wo die Menschen auf den Dächern oder hoch oben auf der Ladung sitzen oder stehen. Wer das in der Realität gesehen und erlebt hat, kann über die strengen Vorschriften zur Personen- und Ladungssicherung in Deutschland nur noch lachen.
Und die Männer gehen sehr grob mit meinem Gepäck und dem Fahrrad um!
Am Anfang ist mein Fahrrad noch beladen. Aber irgendwann laden wir es ab. Packen Fahrrad und Gepäck getrennt auf die Ladefläche der Pickups.
Die Levies werfen rücksichslos und ohne jeden Respekt meine Taschen auf die Ladefläche!
Meine Ausrüstung leidet an diesem einem Tag mehr, als in den letzten 15 Monaten davor!
Bei jedem Wechsel passe ich höllisch auf, das nichts auf dem vorherigen Fahrzeug oder am Straßenrand liegen bleibt. Soweit es möglich ist, packe ich die einzelnen Gepäckstücke selber um.
Ich merke schon bald, dass das Fahrrad beschädigt ist. Die Kette ist abgesprungen und hat sich verdreht. Das Hinterrad blockiert beim schieben. Die Männer schieben das Fahrrad trotzdem rücksichtslos vorwärts und rückwärts. Und werfen es regelrecht auf die Ladefläche.
Alles geht sehr schnell! Ich hab während der Umsteigezeiten keine Zeit mich um die Schäden zu kümmern. Und während den Fahrten bei hoher Geschwindigkeit ist es völlig ausgeschlossen, etwas anderes zu machen als mich festzuhalten.
Um etwa 13:40 Uhr ist die Fahrt bei einer Station der Levies am Stadtrand von Quetta zunächst zu Ende. Eigentlich soll ich von hier aus alleine weiter fahren. Der Auftrag der Levies ist beendet.
Bis zum Stadtzentrum sind es noch etwa 15 km.
Nachdem wir das Fahrrad und mein Gepäck abgeladen haben, sichte ich erstmal die Schäden:
Mein Fahrrad ist schwer beschädigt.
Der vordere Umwerfer abgerissen, die Schaltung hinten verbogen. Die Kette ist um die Radnabe gewickelt. Mindestens 1 Speiche vom Hinterrad gerissen, weitere verbogen, alles zerkratzt und demoliert.
Ich habe keinerlei Verständnis dafür, wie man so mit fremden Eigentum umgehen kann.
Ich bin nicht nur verärgert. Zum ersten Mal seit langem bin ich wütend. Die um mich herum stehenden Männer merken das auch.
Es dauert eine Weile, bis ich mich beruhigt habe. Ich packe mein Werkzeug aus. Und versuche zunächst das Fahrrad provisorisch zu reparieren.
Baue den kaputten Umwerfer ab und richte die Schaltung etwas.
So könnte ich zumindest bis in die Stadt fahren.
Aber durch meine Erfahrungen mit gebrochenen Speichen weiß ich, dass ich damit nicht weit komme. Insbesondere durch das Gewicht. Ich hab ja Ersatzspeichen und einen Speichenschlüssel dabei. Kurzerhand baue ich das Hinterrad aus und zerlege es. Dann merke ich, dass sich die fehlende Speiche nicht ersetzen lässt, ohne den Zahnkranz abzunehmen. Dafür habe ich kein Werkzeug. Das heißt, an dieser Stelle kann ich die Reparatur nur abbrechen. Ich frage die umstehenden Männer nach einem „Taxi“ in die Stadt. Dann kommt einer der Levies. Er sagt, dass sie mich doch weiter fahren. Und direkt zu einem Hotel bringen.
Das ist in meiner jetzigen Situation mit dem kaputten Fahrrad das Beste, was mir passieren kann. Besonders weil es bald dunkel wird.
Also laden wir das Fahrrad in Einzelteilen und mein Gepäck wieder auf den Pickup.
Das ich mich aufgeregt habe, hat offenbar gewirkt. Jetzt sind die Männer deutlich vorsichtiger mit meinen Sachen.
Um etwa 14:45 Uhr geht die Fahrt mit den Levies weiter.
Um etwa 15 Uhr erreichen wir die Stadt Quetta.
Quetta (Urdu: کوئٹہ, Paschtu: کوټه, persisch/belutschisch: کویته) ist eine Stadt im Westen Pakistans mit etwa 1 Million Einwohnern. Es ist die Hauptstadt der Provinz Belutschistan und die zehntgrößte Stadt Pakistans. In der Stadt leben Angehörige verschiedener Volksgruppen und mehrere Sprachen werden gesprochen. Die größte Bevölkerungsgruppe bilden die Paschtunen.
Die aktuelle Sicherheitslage in Quetta ist seit Jahren äußerst prekär. Dies ist wesentlich bedingt durch die Lage der Stadt im Grenzgebiet zu Afghanistan und in der Randzone des paschtunischen Siedlungsgebietes, das zum Hauptaktions-, Rekrutierungs- und Rückzugsgebiet der Taliban und anderer islamistischer Gruppen gehört, die immer wieder Terroranschläge verüben. Hauptziel der Terroristen sind Repräsentanten der Staatsgewalt und staatliche Einrichtungen jedweder Art, sowie Angehörige der schiitischen Minderheit, die überwiegend der Volksgruppe der Hasara angehören. Die Anschläge erfolgen meist mit Bomben und häufig als Selbstmordattentate.
Etwa um 16 Uhr kommen wir im Bloom Star Hotel in Quetta an.
Hier werde ich einquartiert.
Der Standard ist für pakistanische Verhältnisse gehoben.
Es gibt Zimmerservice, warmes Wasser und Wifi. Ein richtiges Bett. Und eine richtige Toilette.
Für 2500 Rupie (10,54€) pro Nacht.
Ohne Frühstück.
Ich buche gleich für 3 Nächte.
Mein Fahrrad kann ich in den bewachten Innenhof stellen.
Das Gepäck wird in mein Zimmer gebracht.
Die Levies sagen, dass ich ab hier alleine weiter fahren kann.
Wie sich später herausstellt, ist diese Information falsch.
Ich richte mich zunächst in meinem Zimmer ein.
Dann schreibe ich Tagebuch.
Die netten Männer vom Zimmerservice bringen mir Tee mit Milch.
Später bestelle ich Essen es gibt ein Hähnchengericht. Dazu pakistanisches Fladenbrot.
Abends befasse ich mich mit dem Indien Visum.
Andere Reisende hatten es schon berichtet:
Das Online Visum gilt nur bei Einreise mit dem Flugzeug oder per Schiff.
Da ich ja auf dem Landweg über die Wagah Border einreisen möchte, gilt es nicht. Dafür wird ein Papiervisum verlangt. Dazu muss man nach Islamabad zur indischen Botschaft. Aber da will ich ja sowieso hin.
Den Antrag auf das Papiervisum kann man online stellen. Ich beginne gleich damit. Fülle Schritt für Schritt das Formular aus. Auch für Indien wird eine Kontaktadresse in Deutschland verlangt. Ich gebe meine Schwester an.
Dann brauche ich nur noch eine Referenz Adresse in Indien.
Ich weiß nicht weiter. Schließe das Fenster, um zu googeln was damit gemeint ist. Dann sind alle eingegeben Daten weg. Damit habe ich mal wieder einen ganzen Abend für Bürokratie verschwendet. Ich bin genervt. Und müde. Mir schwirrt der Kopf. Ich breche das für heute ab. Um 23 Uhr mache ich das Tablet aus. Putze Zähne. (Hier ist das Leitungswasser zumindest zum Zähneputzen geeignet) Und trinke meine Zitrone. Die gibt mir neue Power. Spontan mach ich das Tablet wieder an. Ich hab allerdings keine Lust mehr, mich mit (aus meiner Sicht) unsinnigen Bürokratiekram zu befassen. Arbeite stattdessen an meinem Blog. Ich überarbeite, und lade den umfangreichen Bericht über meine Einreise nach Pakistan hoch. Dann veröffentliche ich den Bericht vom 2. Oktober aus dem Iran. Das dauert viel länger als gedacht. Immer wieder stürzt das Internet ab. Insbesondere das Übersetzten auf englisch ist sehr zeitintensiv. Aber ich ziehe es durch. Ich weiß, dass ich viele Freunde habe, die kein Deutsch können. Und nicht jedes Handy übersetzt automatisch.
Trotzdem werde ich aus Zeitgründen versuchen, meine Blogeinträge so zu optimieren, dass es in Zukunft zügiger geht. Ich werde meine Ausgaben zukünftig wieder weglassen. Das ist unwichtig. Aber sehr zeitintensiv. Insbesondere das umrechnen in unterschiedlichen Währungen. Diese Zeit kann ich mir sparen.
Nebenbei trinke ich meine Zitrone.
Um 1:40 Uhr sind die beiden Berichte online. Ich mache das Tablet endgültig aus. Und schlafe.
Hier ist es auch tagsüber deutlich kühler als im Iran.
In meinem Zimmer gibt es eine Gasheizung. Anfangs habe ich immer Probleme die anzumachen. Die Mitarbeiter helfen mir jedes Mal. Es dauert lange bis ich merke, dass immer erst ein Mitarbeiter das Gas außerhalb vom Zimmer aufdrehen muss.
Heute wurde ich von den Levies etwa 325 km gefahren.
Morgen bringe ich mein Fahrrad in die Werkstatt.
Suche einen Geldautomaten und besorge mir Internet. Dann kümmere ich mich um das Visum für Indien.
Ich hoffe, dass ich alles bis Dienstag geregelt kriege.
Dann fahr ich mit Fahrrad (ab jetzt ohne Geleitschutz) weiter.
Ich werde dieses Land zügig wieder verlassen.
Nach dem was ich heute erlebt habe, ist mir klar, warum dieses Land so ist wie es ist. Arm und alles ist heruntergekommen. Verwahrlost.
Wer so respektlos mit Gegenständen umgeht, behandelt auch Menschen respektlos.
Gewalt und Waffen sind hier allgegenwärtig.
Mein erster Eindruck von diesem Land ist sehr negativ.
Trotzdem möchte ich festhalten, dass die meisten der Levies super nette und hilfsbereite Menschen sind.
Chaotic ride with the Levies. Arrival in Quetta
Saturday, 10 December (Day 3 in Pakistan)
Today, too, the alarm clock rings at 7. I go to the sanitary building. And wash myself briefly.
Then I pack up my things. And tidy up my room.
Breakfast is cancelled again
I say goodbye to the prisoners in the cell.
At about 9 we start. We pack my bike onto the first pickup. Then a chaotic ride begins! With about 10 X vehicle changes.
From one open loading area to the next.
These trips at high speed on bad roads are adventurous!
Especially the 2nd trip is borderline. I sit in the back without any security. The tailgate remains open. At this high speed I have trouble holding on. Later I realise that this is "normal" here. I often see vehicles where people are sitting or standing on the roofs or high up on the load. Anyone who has seen and experienced this in reality can only laugh at the strict regulations on securing people and loads in Germany.
And the men are very rough with my luggage and the bike!
At the beginning, my bicycle is still loaded. But at some point we unload it. We pack the bike and the luggage separately on the loading area of the pickup trucks.
The Levies throw my bags onto the loading area without any respect!
My equipment suffers more on this one day than in the last 15 months before!
With every change, I am very careful that nothing is left on the previous vehicle or on the side of the road. As far as possible, I repack the individual pieces of luggage myself.
I soon notice that the bike is damaged. The chain has jumped off and twisted. The rear wheel locks when I push it. The men still push the bike recklessly forwards and backwards. And they literally throw it onto the loading area.
Everything happens very quickly! I don't have time to take care of the damage during the transfer times. And during the high-speed journeys, it is completely impossible to do anything other than hold on tight.
At about 13:40, the journey ends for the time being at a station of the Levies on the outskirts of Quetta. Actually, I am supposed to continue on my own from here. The Levies' mission is over.
It is still about 15 km to the city centre.
After unloading the bike and my luggage, I check the damage:
My bike is badly damaged.
The front derailleur is torn off, the rear derailleur is bent. The chain is wrapped around the wheel hub. At least 1 spoke is torn from the rear wheel, others are bent, everything is scratched and demolished.
I have no understanding whatsoever of how people can treat other people's property like this.
I am not only annoyed. For the first time in a long time I am angry. The men standing around me notice it too.
It takes a while for me to calm down. I unpack my tools. And first I try to repair the bicycle temporarily.
I remove the broken front derailleur and adjust the gears a bit.
That way I could at least ride into town.
But I know from my experience with broken spokes that I won't get far with it. Especially because of the weight. I have spare spokes and a spoke spanner with me. Without further ado, I remove the rear wheel and take it apart. Then I notice that the missing spoke cannot be replaced without removing the sprocket. I don't have a tool for that. This means that at this point I can only stop the repair. I ask the men standing around for a "taxi" to town. Then one of the Levies comes. He says that they will drive me further after all. And take me directly to a hotel.
In my current situation with the broken bike, this is the best thing that can happen to me. Especially because it will soon be dark.
So we load the bike in pieces and my luggage back onto the pickup.
The fact that I was upset has obviously had an effect. Now the men are much more careful with my things.
At about 2:45 pm we continue our journey with the Levies.
At about 3 pm we reach the city of Quetta.
Quetta (Urdu: کوئٹہ, Pashto: کوټه, Persian/Belgian: کویته)
is a city in western Pakistan with about 1 million inhabitants. It is the capital of Balochistan province and the tenth largest city in Pakistan. Members of various ethnic groups live in the city and several languages are spoken. The largest population group is the Pashtuns.
The current security situation in Quetta has been extremely precarious for years. This is mainly due to the city's location in the border area with Afghanistan and in the fringe zone of the Pashtun settlement area, which is one of the main areas of action, recruitment and retreat of the Taliban and other Islamist groups, who repeatedly carry out terrorist attacks. The main targets of the terrorists are representatives of state power and state institutions of all kinds, as well as members of the Shiite minority, who predominantly belong to the Hasara ethnic group. The attacks are usually carried out with bombs and often as suicide attacks.
Around 4 pm we arrive at the Bloom Star Hotel in Quetta.
Here I am put up for the night.
The standard is high by Pakistani standards.
There is room service, hot water and Wifi. A real bed. And a proper toilet.
For 2500 rupees (10,54€) per night.
Without breakfast.
I book right away for 3 nights.
I can put my bike in the guarded courtyard.
The luggage is brought to my room.
The Levies say that I can go on alone from here.
As it turns out later, this information is wrong.
I first settle in my room.
Then I write my diary.
The nice men from room service bring me tea with milk.
Later I order food - there is a chicken dish. It is accompanied by Pakistani flat bread.
In the evening I deal with the India visa.
Other travellers had already reported it:
The online visa is only valid for entry by plane or ship.
As I want to enter India by land via the Wagah Border, it is not valid. A paper visa is required for this. You have to go to the Indian embassy in Islamabad. But that's where I want to go anyway.
You can apply for a paper visa online. I'll start right away. Fill out the form step by step. A contact address in Germany is also required for India. I give my sister's name.
Then I only need a reference address in India.
I don't know what to do next. I close the window to google what is meant by this. Then all the data I entered is gone. Once again I have wasted an entire evening on bureaucracy. I am annoyed. And tired. My head is spinning. I call it a day. At 11 pm I turn off the tablet. Brush my teeth. (Here the tap water is at least suitable for brushing teeth) And drink my lemon. It gives me new power. I spontaneously turn the tablet back on. But I don't feel like dealing with (from my point of view) nonsensical bureaucracy anymore. Instead, I work on my blog. I revise, and upload the extensive report on my entry into Pakistan. Then I publish the 2 October report from Iran. This takes much longer than expected. Again and again the internet crashes. Especially the translation into English is very time-consuming. But I pull it through. I know that I have many friends who don't know German. And not every mobile phone translates automatically.
Nevertheless, due to time constraints, I will try to optimise my blog entries so that it goes more quickly in the future. I will leave out my expenses again in the future. That is unimportant. But very time-consuming. Especially the conversion in different currencies. I can save this time.
In between I drink my lemon.
At 1:40 am, the two reports are online. I turn off the tablet for good. And sleep.
It is much cooler here than in Iran, even during the day.
There is gas heating in my room. At first I always have problems turning it on. The staff help me every time. It takes me a long time to realise that a staff member always has to turn on the gas outside the room first.
Today I was driven about 325 km by the Levies.
Tomorrow I take my bike to the garage.
Look for an ATM and get some Internet. Then I take care of the visa for India.
I hope to get everything sorted out by Tuesday.
Then I ride on with my bike (from now on without escort).
I will leave this country quickly.
After what I have experienced today, it is clear to me why this country is the way it is. Poor and everything is run down. Neglected.
Those who treat objects so disrespectfully also treat people disrespectfully.
Violence and weapons are omnipresent here.
My first impression of this country is very negative.
Nevertheless, I would like to state that most of the Levies are super nice and helpful people.