Mittwoch, 26. Oktober (Tag 26 im Iran)
Um 9 wache ich auf.
Ich dusche. Und frühstücke dann Iranisches Fladenbrot.
Vormittags telefoniere ich erstmals über Skype. Nach Deutschland.
Ich habe einen wichtigen Termin „verpasst“. Kann es aber telefonisch klären.
Und später rufe ich in Islamabad (Pakistan) bei dem Hostel an. Und bitte nochmals telefonisch um eine detaillierte Buchungsbestätigung.
Etwa um 13:15 Uhr fahren wir mit Auto nach Shiraz. Auf dem Weg halten wir zunächst bei einer Ruine an. Und machen einen kurzen Spaziergang über das weitläufige Gelände.
In Shiraz fahren wir zunächst zum Sirah Hotel. Dort werde ich heute übernachten.
Jacob und Stefan möchten einen Ausflug mit dem Auto machen. Und ab morgen fahren wir alle zusammen an die Küste. Heute bleiben Fatma und ich in der Stadt. Ich möchte mich später mit meinen Freunden Medha und Hauke treffen. Sie sind heute auch in Shiraz angekommen. Und zufällig in einem Hotel direkt gegenüber vom Sirah Hotel.
Fatma möchte mir die Stadt zeigen. Erstmal gehen wir in einem traditionellen Restaurant schick und sehr lecker essen. Später besichtigen wir die Karim Khan Zitadelle.
Die Arg von Karim Khan ( persisch : ارگ کریم خان , Arg-e Karim Khān ) oder Karim Khan Zitadelle , ist eine Zitadelle in der Innenstadt von Shiraz. Sie wurde 1767 während der Zand-Dynastie als Teil eines Komplexes erbaut . Sie ist nach Karim Khan benannt und diente als sein Wohnquartier. Das Bauwerk hat eine rechteckige Form und ähnelt einer mittelalterlichen Festung. In der Vergangenheit wurde die Zitadelle zeitweise als Gefängnis genutzt. Heute ist es ein Museum, das von der Organisation für kulturelles Erbe des Iran betrieben wird.
Wir verbringen einen tollen Nahmittag in dieser wunderschönen Stadt.
Gegen 17:20 Uhr sind wir in einem Café in der Nähe der Vakil Mosque.
Um 17:45 Uhr gehen wir zum nahe gelegenen Vakil Basar.
Dann passiert etwas schreckliches…
Wie ich später erfahre, ist zeitgleich in der nur wenige 100 Meter entfernten Shāh-é-Chérāgh-Moschee (Shahcheragh Holy Shrine) ein „Terroranschlag“.
Offenbar dringen 3 Männer in die heiligste Städte in Shiraz ein. Und eröffnen wahllos das Feuer. Mindestens 15 Menschen sterben. Etwa 40 weitere werden verletzt.
Wir bekommen davon zunächst nichts mit. Zu 2. bummeln wir über den Basar. Hier treffen wir auf meine Freunde Medha und Hauke. Es ist ein freudiges Wiedersehen. Eine Weile gehen wir zusammen durch die Gänge vom Basar. Wir überlegen gerade, zu der berühmten Moschee von Shāh Chérāgh zu gehen. Sie ist ganz in der Nähe vom Basar.
Irgendwann spüren wir eine gewisse „Hektik“ bei den Menschen. Als wir dann zum Ausgang und auf die Straße kommen, sind wir mittendrin. Aufgeregte Menschen. Viel Polizei. Blaulicht. Rettungswagen. Einige Straßen und Kreuzungen sind gesperrt. Der Verkehr staut sich. Zunächst denken wir, dass es eine Demonstration ist. Fatma fragt Passanten was hier los ist. Keiner weiß was genaues. Wir wissen zunächst nicht, wo wir hin müssen oder können. Dann ergreift Fatma die Initiative. Sie führt uns vorbei an Polizisten und Straßensperren zwischen den vielen Autos hindurch zu unseren Hotels. Die sind ja ganz in der Nähe. Und liegen fast nebeneinander. Zwischendurch bekommt sie Nachrichten bzw. telefoniert.
Als wir auf dem Parkplatz vom Hotel ankommen, ist sie völlig fertig. Wir verstehen nur was von mehreren Toten, die erschossen wurden. Sie will jetzt zu einem Freund. Wir sollten in unsere Hotels gehen. Wir tauschen noch kurz Telefonnummern aus. Dann verabschieden wir uns. Ich gehe erstmal mit Medha und Hauke in ihr Hotel. Im Innenhof ist es sicher. Mittlerweile ist es 20:20 Uhr.
Beim Tee beruhigen wir uns erstmal. Dann schreibt unser Freund Tim in der Reisegruppe ob alles in Ordnung ist. Sie haben im Netz von dem Terroranschlag gelesen. Wir recherchieren es selber. Und erfahren was passiert ist. Ich bin skeptisch.
Wir sitzen noch eine Weile im Innenhof zusammen. Trinken Tee und essen Pizza. Dann ruft Jacob mich an. Die Mitarbeiter von meinem Hotel machen sich Sorgen, weil ich noch nicht zurück bin.
Etwa um 21 Uhr gehe ich rüber in mein Hotel. Es sind nur wenige Meter. Als ich dort ankomme, sind sie beruhigt.
Später schreibt Fatma mir, dass es kein Terroranschlag war. Es wurde vom iranischen Regime inszeniert. Dafür gibt es genug Beweise und Widersprüche der offiziellen Angaben. Ich dachte mir schon, dass es kein Zufall sein kann, dass gerade heute ein Terroranschlag verübt wird. 40 Tage nach dem Tod der jungen Mahsa Amini. (Vierzig Tage nach seinem Tod besuchen die Iraner traditionell das Grab eines Verstorbenen) Die 22-jährige Studentin wurde verhaftet, weil sie den Hidschāb in der Öffentlichkeit nicht korrekt getragen hatte. Sie war am 16.9. im Gefängnis ums Leben gekommen.
Wir schreiben noch länger über Telegram. Da sie ja in der Demonstrationsbewegung von Shiraz aktiv ist, hat sie Angst. Wir richten einen geheimen Chat ein. Unsere Nachrichten werden automatisch gelöscht.
Für mein öffentliches Tagebuch ändere ihren Namen.
An diesem Abend wird mir erstmals bewusst, dass ich die Meldungen und Nachrichten über die Proteste nicht unterschätzen sollte. Mir sollte bewusst sein, dass es auch für mich als alleine Reisender mit dem Fahrrad durchaus gefährlich werden könnte. Das ist ein weiterer Grund, dieses Land bald zu verlassen. Und nicht alleine weiter zu fahren.
Ich als Außenstehender kann allerdings nichts machen. Ich kann nur hoffen, dass es die jungen Menschen hier im Iran schaffen, dieses Regime zu stürzen.
Ich telefoniere dann noch mit Freunden in Deutschland. Ab etwa 0:40 Uhr schlafe ich. Heute dauert es lange bis ich einschlafe.
Terrorist attack in Shiraz
Wednesday, 26 October (Day 26 in Iran)
I wake up at 9.
I take a shower. And then have breakfast of Iranian flatbread.
In the morning I make my first Skype call. To Germany.
I have "missed" an important appointment. But I can clear it up by phone.
Later I call the hostel in Islamabad (Pakistan). And ask again by phone for a detailed booking confirmation.
Around 13:15 we drive by car to Shiraz. On the way we first stop at a ruin. And take a short walk across the extensive grounds.
In Shiraz we first drive to the Sirah Hotel. I will stay there tonight.
Jacob and Stefan want to go on an excursion by car. And from tomorrow, we will all go to the coast together. Today Fatma and I will stay in town. I want to meet up with my friends Medha and Hauke later. They also arrived in Shiraz today. And by chance they are staying in a hotel directly opposite the Sirah Hotel.
Fatma wants to show me the city. First we have a fancy and very tasty meal in a traditional restaurant. Later we visit the Karim Khan Citadel.
The Arg of Karim Khan ( Persian : ارگ کریم خان , Arg-e Karim Khān ) or Karim Khan Citadel , is a citadel in downtown Shiraz. It was built in 1767 during the Zand dynasty as part of a complex . It is named after Karim Khan and served as his residential quarters. The structure has a rectangular shape and resembles a medieval fortress. In the past, the citadel was used as a prison for a time. Today it is a museum run by the Cultural Heritage Organisation of Iran.
We spend a great close afternoon in this beautiful city.
Around 17:20 we are in a café near the Vakil Mosque.
At 17:45 we go to the nearby Vakil Bazaar.
Then something terrible happens...
As I learn later, there is a "terrorist attack" at the same time in the Shāh-é-Chérāgh Mosque (Shahcheragh Holy Shrine), only a few 100 metres away.
Apparently, 3 men enter the holiest cities in Shiraz. And open fire indiscriminately. At least 15 people die. About 40 others are injured.
We don't notice anything at first. Secondly, we stroll through the bazaar. Here we meet my friends Medha and Hauke. It is a joyful reunion. For a while we walk together through the aisles of the bazaar. We are thinking of going to the famous mosque of Shāh Chérāgh. It is very close to the bazaar.
At some point we sense a certain "bustle" among the people. Then, when we get to the exit and onto the street, we are in the middle of it. Excited people. Lots of police. Blue lights. Ambulances. Some roads and intersections are closed. Traffic is jammed. At first we think it is a demonstration. Fatma asks passers-by what is going on. No one knows anything for sure. At first we don't know where we have to or can go. Then Fatma takes the initiative. She leads us past policemen and roadblocks between the many cars to our hotels. They are very close by. And they are almost next to each other. In between, she receives messages and makes phone calls.
When we arrive at the car park of the hotel, she is completely exhausted. We only understand something about several dead people who have been shot. She wants to go to a friend's house now. We should go to our hotels. We exchange phone numbers briefly. Then we say goodbye. I go with Medha and Hauke to their hotel. It's safe in the courtyard. By now it is 8:20 pm.
We calm down over tea. Then our friend Tim writes to the travel group to ask if everything is all right. They have read about the terrorist attack on the internet. We research it ourselves. And find out what happened. I am sceptical.
We sit together in the courtyard for a while. We drink tea and eat pizza. Then Jacob calls me. The staff at my hotel are worried because I am not back yet.
Around 9 pm I walk over to my hotel. It is only a few metres. When I get there, they are reassured.
Later Fatma writes to me that it was not a terrorist attack. It was staged by the Iranian regime. There is enough evidence for that and contradictions of the official statements. I thought to myself that it can't be a coincidence that a terrorist attack is being carried out today of all days. Forty days after the death of young Mahsa Amini. (Forty days after his death, Iranians traditionally visit the grave of a deceased person) The 22-year-old student was arrested for not wearing the hijāb correctly in public. She had died in prison on 16.9.
We will write about Telegram for a while longer. As she is active in the Shiraz demonstration movement, she is afraid. We set up a secret chat. Our messages are automatically deleted.
For my public diary, change her name.
That evening I realise for the first time that I should not underestimate the reports and news about the protests. I should be aware that it could well become dangerous even for me as a lone traveller on a bicycle. That is another reason to leave this country soon. And not to continue travelling alone.
However, there is nothing I can do as an outsider. I can only hope that the young people here in Iran will succeed in overthrowing this regime.
Then I talk to friends in Germany on the phone. From about 0:40 I sleep. Today it takes me a long time to fall asleep.