Dienstag, 09. November
Nachts bekomme ich Rückenschmerzen von der unbequemen Liegeposition. Ich lege ein Polster auf die Sitzfläche vom Sofa. So das es höher ist. Und ich mich lang ausstrecken kann. Jetzt liege ich bequemer.
Um 6 Uhr klingelt der Wecker. So früh am Morgen ist hier noch nichts los. So das ich mich in Ruhe auf der Wiese waschen kann. Dann setze ich mich wieder in den Bus. Und schreibe Tagebuch. Gegen 9 ist es wieder aktuell. Hochladen kann ich den Bericht noch nicht. Da sich meine Homepage ja nur im WLAN bearbeiten lässt. Ich packe meine Sachen zusammen. Zwischendurch koche ich Wasser für Kaffee. Und frühstücke Müsli. Ich räume im Bus auf. Außerdem sammle ich den Müll auf. Es ist mir wichtig, auch diesen Ort sauberer zu hinterlassen als er vorher war. Etwa um 9:30 Uhr kommt einer der Männer von gestern Abend. Hier ist ein kleiner Stall. In dem Tauben untergebracht sind. Er lässt sie raus. Ich verabschiede mich.
Um 9:45 Uhr verlasse ich die Wiese und den Bus. Bis zu meinem nächsten Zwischenziel sind es noch knapp 70 km. Die Navigation mit Komoot klappt reibungslos. Ich schiebe das Rad durch die Stadt. Wo es möglich ist, fahre ich. Mittags erreiche ich das Zentrum von Ataşehir. Hier möchte ich etwas essen.
Aus einer der vielen Restaurants werde ich heran gewunken. Also stelle ich das Fahrrad ab und gehe hinein. Einer der Männer spricht englisch. Sedat ist der Inhaber vom Atacity Gourmet Shop mit Restaurant. Er lädt mich zum Essen ein. Wir unterhalten uns. Ich erzähle von meiner Reise. Sedat sagt „you live my dream" Er möchte auch reisen, ist aber hier gebunden.
Das hab ich schon oft gehört. Klar…wenn jemand eine Familie hat, kann er nicht so einfach alles „aufgeben“ um seinen Traum zu leben. Aber oft sind es finanzielle Gründe und berufliche Verpflichtungen, die Menschen daran hindern, ihren Traum zu leben. Und kaum jemand ist wirklich bereit, für seinen Traum das gewohnte sichere Umfeld aufzugeben. Es gibt unendlich viele Gründe es nicht zu tun. Immer wieder höre ich Sätze wie „wenn die Kinder groß sind…wenn ich in Rente bin…., wenn ich genug Geld gespart habe….“ Die meisten Menschen sind tagtäglich in ihrem Hamsterrad. Träumen von dem was sie wollen, aber machen es nicht. Sie sind nicht wirklich glücklich.
Ich hatte diesen Traum schon als Kind. Hatte Fernweh. Wollte die Welt sehen und erleben. Als Kind waren meine Vorbilder die Abenteuer der Weltumsegler wie Magellan und Columbus. Aber auch ich hab davon nur geträumt. Dann hatte ich ein fast normales Leben. War verheiratet, hatte ein Haus. War in vielen Bereichen ehrenamtlich aktiv. Für eine bessere Welt. Für Frieden. 2012 hat meine Frau mich verlassen. 2013 ist meine Mutter gestorben. Ich konnte das Haus alleine nicht halten. War gezwungen, es zu verkaufen. Das hab ich als Chance genutzt. Bin in die Großstadt Hannover gezogen. Dort hatte ich eine zeitlang das Partyleben, das ich immer wollte. Bis das Geld aufgebraucht war. 2018 war ich sehr schwer krank. Als Spätfolge von meinem Unfall. Ich war zum 3. Mal fast tot. Im Krankenhaus hab ich mich an meinen Kindheitstraum erinnert. Ich wollte immer um die Welt reisen. Und das ich nach Hiroshima reisen will. Diese Stadt, auf die im 2. Weltkrieg die 1. Atombombe abgeworfen wurde, fasziniert mich schon lange. Ich möchte sie mit meinen eigenen Augen sehen….erleben. In dieser schweren Zeit im Krankenhaus Hannover hatte ich den Gedanken „Wenn ich das überlebe, hier wieder rauskomme…fahr ich mit Fahrrad nach Hiroshima „
Ich hab es überlebt. Bin wieder topfit. Und habe keinerlei Verpflichtungen. Also gibt es keine persönlichen Gründe, die mich daran hindern, meinen Traum zu leben.
Letztes Jahr Ende August bin ich in Dresden gestartet. Gegen alle äußeren Widerstände. Und jetzt bin ich in der Türkei. In Istanbul. Ich lebe meinen Traum!
Bis nach Hiroshima ist es noch ein weiter Weg. Aber ich bin mir sehr sicher, dass ich es schaffen kann. Weil ich es wirklich will! Diese Reise war die Beste Entscheidung meines Lebens. Ich bin wirklich glücklich. Ich denke, dass jeder Mensch für sein eigenes Glück selbst verantwortlich ist. Jeder Mensch kann sein Leben so gestalten, dass er glücklich ist. Das heißt natürlich, Prioritäten zu setzen. Für mich ist die oberste Priorität diese Reise. Dafür „verzichte" ich auf vieles was für die meisten Menschen selbstverständlich ist. Ich habe keinerlei Sicherheit. Keine Familie. Kein Zuhause. Aber dafür bin ich grenzenlos frei. Und diese Reise ist ein einziges Abenteuer. Ich weiß meistens morgens nicht, wo ich am Abend schlafe.
So wie heute. Sedat fragt mich wo ich heute übernachte. „I don’t know. Somewhere here in Istanbul. In my tent" Sedat bietet mir an, dass ich bei ihm in der Wohnung übernachten kann. Er lebt alleine. In einem Hochhaus hier in der Nähe. Sehr gerne nehme ich sein Angebot an. Etwa um 14:30 Uhr fahr ich mit Fahrrad zu seiner Adresse. Jetzt mit Google Maps. Die Navigation ist katastrophal. Ich verfahre mich. Wechsle dann zu Komoot. Die Komoot Route ist mehr als doppelt so weit. Ab die Navigation ist viel zuverlässiger. Ich komme durch ein Nobelviertel mit feinen Restaurants, Luxushotels und exklusiven Geschäften. Hier gibt es riesige Wohnungskomplexe. Viele Hochhäuser und sogar Wolkenkratzer mit mehr als 20 Stockwerken.
Ich brauche für die kurze Strecke sehr lange. Der noble Hochhauskomplex in dem Sedat wohnt, hat 17 Stockwerke. Der Zugang wird von einem Pförtner bewacht. Ich sage ihm, dass ich ein Gast von Sedat bin. Er hatte mich bereits angekündigt. Der Pförtner zeigt mir den Raum wo ich mein Fahrrad unterstellen kann.
Sedat erwartet mich bereits. Sein Appartement ist im 10. Stock. Es ist schick und modern. So wie dieser ganze Komplex. Ich bekomme das Gästezimmer. Das Bett nimmt fast den ganzen Raum ein. Und steht direkt an der Fensterfront. Das ist ein fantastischer Schlafplatz mit einer grandiosen Aussicht!
Ein krasser Gegensatz zu dem Bus oder dem kleinen Sofa von letzter Nacht. Ich muss an die feuchte Nacht vor etwa einem Jahr in Kroatien denken. Als ich im strömenden Regen unter einem Gebüsch geschlafen habe. An die Nächte im Stadtpark von Prag oder Rijeka, an den Eisenbahnwagon in Ogulin ….an all die wunderschönen oder krassen Orte an denen ich gezeltet habe…an das tolle Apartment von Jan Blick auf den Bosporus….und jetzt bin ich in einem ähnlichen Apartment. Jeder Ort an dem ich bisher übernachtet habe, hat seinen eigenen Charme. Besonders diese krassen Gegensätze von unmöglich / Menschenunwürdig bis luxuriös machen den Reiz dieser Reise aus. Diese sehr unterschiedlichen Orte zum übernachten sind ein wichtiger Bestandteil meiner Reise.
Ich richte mich kurz in dem Zimmer ein. Sedat fährt nochmal kurz weg. Ich setze mich mit dem Tablet aufs Bett. Als Sedat wieder kommt, hat er etwas zu essen für uns mitgebracht. Wir setzen uns ins Wohnzimmer und essen zusammen.
Später fährt er weg. Über Nacht. Er verabschiedet sich mit den Worten „This is your home tonight" Ich bin wirklich beeindruckt. Obwohl wir uns erst vor wenigen Stunden kennengelernt haben, vertraut er mir. Ich bleibe alleine in seiner Wohnung. Genauso hatte mir auch Jan vertraut. Oder Mohammad. Sedat hatte mir angeboten, dass ich seine Waschmaschine benutzen darf. Also wasche ich meine Wäsche. Später hänge ich sie zum trocknen auf. Ansonsten verbringe ich den Abend auf dem Bett. Ich chatte und telefoniere mit Freunden. Und lade die letzten beiden Berichte mit Fotos hoch. Später surfe ich noch lange im Netz.
Unter anderem informiere ich mich über die Möglichkeiten zur Verlängerung der Aufenthaltsdauer in der Türkei. Auch wenn die Informationen darüber sehr unterschiedlich sind, so scheint es doch relativ einfach zu sein. Das beste ist, zu einer Polizeistation zu gehen. Dort kann ich mich beraten lassen. Bzw. die Beamten können das Visum für mich beantragen. Allerdings wird sehr wahrscheinlich ein PCR Test erforderlich sein. Ich bin noch sehr lange online.
Zwischendurch koche ich mit dem Wasserkocher Wasser und trinke eine heiße Zitrone.
Um 2:30 Uhr schlafe ich. Beim einschlafen genieße ich die herrlich Aussicht auf das nächtliche Istanbul.
Ich habe heute insgesamt etwa 7 km im Stadtgebiet von Istanbul zurück gelegt.
Drive through Istanbul. I am living my dream. In the evening in the skyscraper
Tuesday, 09 November
At night I get backache from the uncomfortable lying position. I put a cushion on the seats from the sofa. So that it is higher. And I can stretch out for a long time. Now I lie more comfortably.
At 6 o'clock the alarm clock rings. There is nothing going on here so early in the morning. So I can wash in peace on the meadow. Then I get back on the bus. And write my diary. Around 9 it is up to date again. I can't upload the report yet. Since my homepage can only be edited in the WLAN. I pack up my things. In between I boil water for coffee. And have some muesli for breakfast. I tidy up the bus. I also pick up the rubbish. It is important to me to also leave this place cleaner than it was before. Around 9:30, one of the men from last night arrives. There is a small stable here. There are pigeons in it. He lets them out. I say goodbye.
At 9:45 I leave the meadow and the bus. It is still about 70 km to my next stopover. The navigation with Komoot works smoothly. I push the bike through the city. Where possible, I ride. At noon I reach the centre of Ataşehir. Here I want to eat something.
I am beckoned from one of the many restaurants. So I put the bike down and go inside. One of the men speaks English. Sedat is the owner of the Atacity Gourmet Shop and Restaurant. He invites me to eat with him. We talk. I tell him about my journey. Sedat says "you live my dream" He also wants to travel, but is tied down here.
I have heard that many times before. Sure...when someone has a family, he can't just "give up" everything to live his dream. But often it is financial reasons and professional obligations that prevent people from living their dream. And hardly anyone is really prepared to give up their familiar secure environment for their dream. There are endless reasons not to do it. Again and again I hear phrases like "when the children are grown up...when I am retired...., when I have saved enough money...." Most people are in their hamster wheel every day. Dreaming of what they want but not doing it. They are not really happy.
I had this dream when I was a kid. Had wanderlust. Wanted to see and experience the world. As a child, my role models were the adventures of circumnavigators like Magellan and Columbus. But I too only dreamed of them. Then I had an almost normal life. I was married, had a house. Was active as a volunteer in many areas. For a better world. For peace. In 2012, my wife left me. In 2013 my mother died. I could not keep the house alone. I was forced to sell it. I used that as an opportunity. I moved to the big city of Hanover. There I had the party life I always wanted for a while. Until the money ran out. In 2018, I was very seriously ill. As a late consequence of my accident. I was almost dead for the third time. In hospital, I remembered my childhood dream. I always wanted to travel around the world. And that I wanted to travel to Hiroshima. This city, on which the 1st atomic bomb was dropped in the 2nd World War, has fascinated me for a long time. I want to see it with my own eyes....experience it. During this difficult time in the hospital in Hanover, I had the thought "If I survive this, get out of here again...I'll ride my bike to Hiroshima ".
I survived it. I am fit as a fiddle again. And have no obligations whatsoever. So there are no personal reasons preventing me from living my dream.
Last year at the end of August I started in Dresden. Against all external odds. And now I'm in Turkey. In Istanbul. I am living my dream!
It is still a long way to Hiroshima. But I am very sure that I can make it. Because I really want to! This trip was the best decision of my life. I am really happy. I think that every person is responsible for their own happiness. Every person can shape their life in such a way that they are happy. Of course, that means setting priorities. For me, the top priority is this journey. For this, I "do without" many things that most people take for granted. I have no security. No family. No home. But instead I am boundlessly free. And this journey is one big adventure. Most mornings I don't know where I'll sleep in the evening.
Like today. Sedat asks me where I'm staying tonight. "I don't know. Somewhere here in Istanbul. In my tent" Sedat offers me to spend the night in his flat. He lives alone. In a high-rise building near here. I gladly accept his offer. Around 2:30 pm I cycle to his address. Now with Google Maps. The navigation is disastrous.
I get lost. Then I switch to Komoot. The Komoot route is more than twice as far. But the navigation is much more reliable. I pass through a posh district with fine restaurants, luxury hotels and exclusive shops. There are huge apartment complexes here. Many high-rise buildings and even skyscrapers with more than 20 floors.
It takes me a long time for the short distance. The noble high-rise complex where Sedat lives has 17 floors. The entrance is guarded by a doorman. I tell him that I am a guest of Sedat. He had already announced me. The doorman shows me the room where I can store my bicycle.
Sedat is already waiting for me. His flat is on the 10th floor. It is chic and modern. Just like this whole complex. I get the guest room. The bed takes up almost the whole room. And it's right next to the window. It's a fantastic place to sleep with a magnificent view!
A stark contrast to the bus or the small sofa from last night. I have to think of the damp night about a year ago in Croatia. When I slept under a bush in the pouring rain. Of the nights in the city park of Prague or Rijeka, of the railway wagon in Ogulin ....an all the beautiful or crass places I have camped...of the great flat of Jan overlooking the Bosporus....and now I am in a similar flat. Every place I have stayed so far has its own charm. Especially these stark contrasts from impossible / unfit for human habitation to luxurious are what make this trip so appealing. These very different places to stay are an important part of my journey.
I briefly settle into the room. Sedat leaves again briefly. I sit down on the bed with my tablet. When Sedat comes back, he has brought something to eat for us. We sit down in the living room and eat together.
Later he leaves. Overnight. He says goodbye with the words "This is your home tonight" I am really impressed. Although we met only a few hours ago, he trusts me. I stay alone in his flat. In the same way Jan had trusted me. Or Mohammad. Sedat had offered me the use of his washing machine. So I wash my clothes. Later I hang them out to dry. Otherwise I spend the evening on the bed. I chat and talk on the phone with friends. And upload the last two reports with photos. Later I surf the net for a long time.
Among other things, I find out about the possibilities for extending the length of stay in Turkey. Even though the information about this varies a lot, it seems to be relatively simple. The best thing is to go to a police station. There I can get advice. Or the officials can apply for the visa for me. However, a PCR test will most likely be required. I am still online for a very long time.
In between, I boil water with the kettle and drink a hot lemon.
At 2.30 am I am asleep. As I fall asleep, I enjoy the wonderful view of Istanbul at night.
Today I have walked a total of about 7 km in the city of Istanbul.